Macht bitte endlich die Schulen zu – und dann wieder auf – ein Lagebericht
Zuletzt aktualisiert am 11. April 2021 von Claus Nehring
Die Schulen in Luxemburg sind, entgegen aller wissenschaftlichen Evidenz, seit dem 11. Januar 2021 wieder geöffnet. Für das Infektions-Geschehen hierzulande war das zwar keine besonders tolle Idee, aber es sorgt zumindest dafür, dass Luxemburg jetzt sehr schön als Beispiel – wenn auch leider als abschreckendes – dienen kann.
Denn die Lage hierzulande zeigt ziemlich klar, was in Ländern passiert, in denen die Politik naturwissenschaftliche und mathematische Realitäten kurzerhand ignoriert und einem Virus stattdessen mit politischen Maßnahmen zu begegnen versucht. Oder, kurz gesagt, dem Irrglauben verfällt, dass man mit einem Virus diskutieren könne.
Der größte Irrglaube dabei war und ist leider bis heute, dass sich das SARS-CoV-2-Virus und seine Mutanten durch irgendwelche halbdurchdachten Maßnahmen von der Verbreitung über die Schulen in die Familien hinein abhalten ließe.
Ich möchte Ihnen in diesem Artikel kurz aufzeigen, was seit Januar hätte passieren sollen, was stattdessen passiert ist, was die Folgen davon gewesen sind und was wir jetzt dringend tun sollten.
Was hätte passieren sollen…
Ich habe vor zwei Wochen (am 20. März 2021) unter dem Titel Haben wir die Kontrolle über die Pandemie verloren? hier im Blog einen Artikel veröffentlicht, in dem ich erklärt habe, warum wir in Luxemburg – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Regierung – längst die Kontrolle über diese Pandemie verloren haben.
Am 7. Januar 2021 habe ich im Artikel Sind die Lockerungen und die Schulöffnung in Luxemburg verantwortungslos? eindringlich vor der Öffnung der Schulen gewarnt, die britische Epidemiologin Deepti Gurdasani von der Queen Mary Universität in London hat am 5. Januar 2021 im Artikel Kinder haben schon immer zum Infektions-Geschehen beigetragen erklärt, warum die Annahme, dass Kinder weniger zum Infektions-Geschehen beitragen, ein Trugschluss ist.
Über die Tatsache, dass Eindämmungs-Maßnahmen und Lockerungen keinen sofort sichtbaren Einfluss auf das Infektions-Geschehen haben, sondern sich erst nach Wochen in den Zahlen zeigen, habe ich in den Artikeln Infektions-Dynamik oder warum es dauert, bis Lockerungs-Auswirkungen sichtbar werden vom 19. Januar 2021 und Warum wir in Luxemburg der Pandemie hinterherlaufen vom 9. Februar 2021 gesprochen.
In den Artikeln Corona und die Strategie für die nächsten Monate vom 26. Januar 2021 und Strategien für Schulen und Tests in Luxemburg vom 16. Februar 2021 habe ich beschrieben, mit welchen Maßnahmen wir hierzulande der NoCovid-Strategie (ein Positionspapier einer Gruppe von Wissenschaftlern um Professor Melanie Brinkmann, über das unter anderem die ZEIT hier berichtet hat) folgen können.
Was tatsächlich passiert ist…
Leider reicht ein Absatz aus, um das zu beschreiben. Es ist nichts passiert. Weder wurden vernünftige Konzepte für eine Schulöffnung unter Pandemie-Bedingungen ausgearbeitet, noch wurden die Schulen geschlossen, noch gab oder gibt es genügend Schnelltests, um damit wenigstens eine gewisse Sicherheits-Barriere schaffen zu können.
Zeit für all dies war genug da, am politischen Willen zur Umsetzung hat es hingegen eindeutig gemangelt. Warum Politiker der Meinung von Wissenschaftlern in einer solchen Situation nicht folgen und stattdessen lieber Menschenleben aufs Spiel setzen, hat Dr. Michael Flohr von der Leibniz Universität Hannover hier im Blog im Artikel Mathe für Politiker*innen (Frau Dr. Merkel ausgenommen) beschrieben.
Was die Folgen davon waren…
Die luxemburgische Regierung redet gerne und ständig davon, dass die Inzidenz zwar hoch, die Lage aber stabil und unter Kontrolle und die Klinikbelegung beherrschbar sei. Das klingt zwar nett, entspricht aber nicht so ganz der Realität. Die sieht wiederum so aus:
- Die Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner ist von ihrem diesjährigen Tiefststand von 125,86 am 19. Januar 2021 (das war übrigens eine gute Woche nach der Öffnung der Schulen am 11. Januar) bis auf derzeit (3. April 2021) 261,94 geklettert.
- Die Fallsterblichkeit (hier als Delayed-CFR auf die Anzahl der Infizierten 14 Tage zuvor berechnet, mehr zu dieser Methode finden Sie hier), ist von 1,15% am 1. Januar 2021 auf 1,28% angestiegen.
- Die („britische“) Mutante B.1.1.7 konnte sich seit ihrem ersten nachgewiesenen Auftreten am 19. Dezember 2020 so weit verbreiten, dass sie mittlerweile mit 68,1% aller Fälle die am weitesten verbreitete SARS-CoV-2-Variante hierzulande ist.
- Nicht viel schlechter ist das der („südafrikanischen“) Mutante B.1.351 gelungen, die es seit ihrem ersten nachgewiesenen Auftreten am 11. Januar 2021 mit einem Anteil von 23% auf den zweiten Platz der meistvertretenen SARS-CoV-2-Varianten hierzulande geschafft hat.
Nur der Vollständigkeit halber: die Bettenbelegung in den Kliniken ist übrigens tatsächlich relativ stabil geblieben, auch wenn die derzeitige Belegung mit 142 Betten (davon 31 Intensivbetten) für ein 620.000-Einwohner-Land immer noch sehr hoch ist.
Was die Bildungseinrichtungen damit zu tun haben…
Nun werde ich mit Sicherheit in den Kommentaren zu diesem Artikel wieder zu lesen bekommen, dass die Öffnung der Bildungseinrichtungen ja gar nicht notwendigerweise zu dieser Entwicklung geführt haben müsse.
Und das ist sogar richtig. Man könnte so etwas zwar mithilfe von Genom-Sequenzierungen zweifelsfrei nachweisen, aber die dafür (bei der hohen Anzahl an Neu-Infektionen) notwendigen Labor-Kapazitäten hat kein Land der Welt. Also versuchen wir’s doch einfach mal anhand der Zahlen des luxemburgischen Bildungs-Ministeriums (die Sie bei Interesse übrigens hier finden können).
Denn in den Wochenberichten werden die in der jeweiligen Schulwoche in den Bildungseinrichtungen aufgetretenen Neu-Infektionen nach Schülern und Schulpersonal getrennt aufgeführt. Man kann diese Zahlen also mit den in der Gesamtbevölkerung aufgetretenen Neu-Infektionen vergleichen und den Anteil der in den Bildungseinrichtungen aufgetretenen Neu-Infektionen am gesamten Infektions-Geschehen errechnen. Das sieht dann so aus wie in der folgenden Grafik (die Wochen ohne Balken sind die schulfreien Zeiten).
Bei der Betrachtung der Grafik fällt zunächst einmal die recht banale Tatsache auf, dass nach den beiden mehrwöchigen Pausen im Dezember/Januar und im Februar der Anteil der Bildungseinrichtungen am Infektionsgeschehen zurückgegangen ist. Allein dadurch wird schon klar, dass die Schließung der Bildungseinrichtungen ganz offenbar einen Effekt hatte.
Zum zweiten wird klar, dass seit der Öffnung der Bildungseinrichtungen am 11. Januar 2021 der Anteil der Neu-Infektionen in den Bildungseinrichtungen gegenüber den gesamten Neu-Infektionen offenbar ansteigt. Dieser Anstieg ist höchstwahrscheinlich auf die zunehmende Verbreitung der Mutanten B.1.1.7 und B.1.351 zurückzuführen und scheint zu unterstreichen, dass diese Mutanten überproportional jüngere Bevölkerungsgruppen infizieren (warum das so ist, können Sie bei Interesse auch im Artikel Wir müssen dringend über Flucht-Mutanten reden in diesem Blog nachlesen).
Noch interessanter werden die Zahlen aus den Bildungseinrichtungen, wenn man sie der Gesamtzahl der Neu-Infektionen gegenüberstellt. In der Grafik sieht das dann so aus.
Anmerkung: Die Wochenberichte des Bildungs-Ministeriums liegen erst seit der Woche vom 5. Oktober 2020 vor. Deswegen lässt sich in der Grafik leider der Bezug zwischen der zweiten Welle ab Mitte Oktober und der Öffnung der Bildungs-Einrichtungen nach den Sommerferien vier Wochen zuvor (am 15 September 2020) nicht ersehen.
Beim Betrachten dieser Grafik fallen ebenfalls zwei Dinge auf. Zum einen scheint es so, als hätten die einwöchigen Ferien im November keinen enormen Einfluss auf das Infektions-Geschehen gehabt, die Weihnachtsferien (plus eine Woche danach im Homeschooling) hingegen schon.
Zum zweiten wird auch hier klar sichtbar, dass sich die Pandemie-Dynamik mit dem Auftauchen der Mutanten B.1.1.7 und B.1.351 geändert hat. Man sieht deutlich, dass die Anzahl der Neu-Infektionen ungefähr zwei Wochen nach den jeweiligen Schulferien zunimmt. Daneben fällt auch auf, dass die Karnevalsferien im Februar offenbar einen geringeren Einfluss auf das Infektions-Geschehen hatten.
Das wiederum dürfte damit zu tun haben, dass sich die infektiöseren Mutanten B.1.1.7 und B.1.351 zu diesem Zeitpunkt dank der kurzsichtigen Öffnung der Bildungseinrichtungen schon längst breitflächig in der Bevölkerung verbreitet hatten. Leider zeigt das aber auch, dass wir möglicherweise schon jetzt in einer Lage sind, in der die Schließung der Bildungseinrichtungen alleine nicht mehr zur Eindämmung der Pandemie ausreicht.
Was die Folgen waren…
Die Folgen der Öffnung der Bildungseinrichtungen lässt sich aus diesen Daten annähernd abschätzen. Die Bildungseinrichtungen wurden hierzulande am 11. Januar 2021 wieder geöffnet, obwohl zu diesem Zeitpunkt längst bekannt war, dass die Mutante B.1.1.7 hierzulande Fuß gefasst hatte. Die Gefahren (gerade für die jüngere Bevölkerung) waren zu diesem Zeitpunkt längst bekannt (ich verweise dazu noch einmal auf meinen Artikel Sind die Lockerungen und die Schulöffnung in Luxemburg verantwortungslos? vom 7. Januar 2021).
Seit dem 11. Januar 2021 sind in den Bildungseinrichtungen des Landes durchschnittlich etwas mehr als 25% aller Neu-Infektionen entdeckt worden. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder dieser Infizierten nur eine einzige weitere Person in seinem Freundes- oder Familienkreis infiziert hat (und das ist in Zeiten von B.1.1.7 eine ausgesprochen optimistische Annahme), dann ist die Öffnung der Bildungseinrichtungen direkt und indirekt für wenigstens 50% der Neu-Infektionen hierzulande verantwortlich.
Wenn wir uns die Zahlen ansehen, können wir feststellen, dass es seit dem Datum der Schulöffnungen, dem 11. Januar 2021, hierzulande 14.416 Neu-Infektionen und 222 Todesfälle (Stand: 3. April 2021) gegeben hat. Von den mittlerweile immer deutlicher in Erscheinung tretenden Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung (gerade für jüngere Menschen) möchte ich hier gar nicht erst reden, Sie können sich aber im Artikel Long-Covid und was wir darüber wissen hier im Blog darüber informieren.
Ich möchte die Folgen hier jetzt nicht ausrechnen, das können Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sicherlich selbst. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass die Maßnahmen dieser Regierung für diese Folgen verantwortlich sind und dass diese Regierung gut daran täte, jetzt vielleicht einmal den einen oder anderen Fehler einzugestehen und zu korrigieren.
Was die Regierung jetzt dringend tun sollte…
Zunächst einmal sollte sich die luxemburgische Regierung so schnell wie möglich von dem Gedanken verabschieden, dass eine Durchseuchung der jüngeren Bevölkerung eine gute Idee wäre (mehr dazu finden Sie im Artikel Natürliche Durchseuchung führt zu gezielter Ausgrenzung vom 5. November 2020 in diesem Blog).
Wir brauchen JETZT endlich ein paar Handlungen dieser Regierung. Ich habe die notwendigen Maßnahmen schon im Artikel Strategien für Schulen und Tests in Luxemburg vom 16. Februar 2021 skizziert, der luxemburgische Blogger Christian Klein hat das in seinem Blog im Artikel Die Regierung muss handeln… vom 23. März 2021 noch einmal bekräftigt.
Daher hier in aller Kürze noch einmal die Punkte, auf die es zur sofortigen Senkung der Wochen-Inzidenz jetzt ankommt:
- Sofortige Pflicht zum Home-Office
- Rückkehr ins Home-Schooling (siehe unten)
- Beschaffung von genügend Schnelltests zum flächendeckenden Testen der gesamten Bevölkerung
- Einführung eines Ampelsystems
- Schließung aller Kultur- und Sportstätten, bei denen sich eine größere Anzahl von Menschen gleichzeitig in einem Innenraum aufhält
Die Öffnungen des Einzelhandels und der Gastronomie-Terrassen mit den aktuellen Einschränkungen stellen aus meiner Sicht kein größeres Problem dar, solange die restlichen Punkte umgesetzt werden. Allerdings ist ein umfassendes Testsystem auf Basis von Schnelltests dafür unabdingbar.
Und was die Schulen betrifft…
Die Schulen müssen solange geschlossen bleiben, bis das Bildungsministerium irgendwann einmal seinen Job macht und sich um ein vernünftiges Öffnungskonzept kümmert. Oder, anders ausgedrückt, die ihm anvertrauten Menschen endlich einmal schützt und nicht weiterhin in Gefahr bringt. Dazu sind einige Schritte notwendig:
- Jeder Schüler muss mindestens zweimal pro Woche mittels Schnelltest getestet werden. Dieser Schnelltest muss nicht verpflichtend sein, aber die Ablehnung eines Schnelltests muss einen Ausschluss von der physischen Teilnahme am Unterricht nach sich ziehen.
- Das gesamte Personal der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen muss geimpft werden, bevor diese Einrichtungen wieder geöffnet werden können. Man wird für Personen, die mit jüngeren, ungeimpften Menschen in Kontakt sind (das betrifft vor allem Lehrer und Erzieher) über eine Impfpflicht nachdenken müssen.
- Es ist inakzeptabel, dass das luxemburgische Bildungsministerium bis heute nicht in der Lage war, wenigstens die Maskenpflicht auch in privaten Bildungseinrichtungen durchzusetzen. Bis heute können Schüler ohne Mund-Nasen-Schutz in manchen Schulen am Unterricht teilnehmen, die Schule kann in diesem Fall andere Maßnahmen (beispielsweise Abtrennungen aus Plexiglas) einsetzen. Gegen eine Aerosol-Übertragung hilft das leider herzlich wenig.
Bis diese Maßnahmen umgesetzt worden sind und die Wochen-Inzidenz unter einen Wert von 80 gefallen ist, sollte man an eine Öffnung der Schulen nicht einmal denken. Man kann allerdings einen Notbetrieb für die Kinder und Jugendlichen schaffen, die das dringend brauchen (siehe unten).
Lassen Sie uns einfach einmal das gern wiederholte Mantra vergessen, dass man den Schülern den Verlust eines Schuljahres nicht zumuten könne. In „normalen“ Zeiten akzeptieren wir es auch relativ klaglos, wenn unsere Kinder einmal ein Schuljahr wiederholen müssen. Das ist nicht toll, aber es ist auch nicht das Ende der Welt.
Denn dieses Mantra sorgt dafür, dass wir gerade die Abschlussklassen für ihre Prüfungen in die Schule lassen. Und das ist absurd, denn gerade diese älteren Schüler sind in den allermeisten Fällen durchaus selbstständig und motiviert genug, um zu Hause lernen zu können, wenn sie dabei online unterstützt werden. Selbst das Durchführen von Online-Prüfungen sollte in vielen Fällen möglich sein.
Wir sollten die Kinder in die Schule holen, die das wirklich brauchen
Niemand streitet ab, dass viele Kinder und Jugendliche ohne Schule sehr leiden, weil sie ihre Freunde nicht treffen können, weil sie im familiären Umfeld nicht genügend Hilfe beim Lernen bekommen oder weil es zuhause zu Streitereien kommt. Manche von ihnen werden depressiv, haben Essstörungen, verlieren jede Tagesstruktur, versacken in Onlinespielen oder verschlafen die Videokonferenzen.
Leider ist es aber auch wahr, dass Kinder sich anstecken und das Virus wie Erwachsene an ihr Umfeld weitergeben. Mit den Mutanten ist die dritte Pandemie-Welle gekommen, und sie ist gefährlicher als die vorangegangenen.
Deswegen sollten wir jetzt die Kinder und Jugendlichen in die Schule holen, die sie jetzt wirklich dringend brauchen. Diejenigen, die zu klein sind, um sich zu organisieren, die einfach nicht mehr können oder die dringend aus der Familie herausmüssen. Welche Kinder und Jugendlichen das betrifft, sollten Erzieher(innen) und Lehrer(innen) entscheiden können, sie wissen meist sehr gut, wer davon betroffen ist.
Dann nämlich könnten wir den Kindern und Jugendlichen, die das jetzt wirklich brauchen, viel mehr als eine dürftige Notbetreuung bieten.
Das wird in manchen Schulen hierzulande nur wenige Kinder betreffen, in anderen dafür umso mehr. Deswegen brauchen wir hier etwas Flexibilität, um in den betroffenen Schulen genügend Räumlichkeiten und genügend Personal zur Verfügung zu stellen, damit die betreuten Gruppen klein bleiben können.
Wenn es dazu eine Testpflicht gibt, genügend Schnelltests zum täglichen Testen zur Verfügung stehen und das Personal geimpft ist, dann könnte ein solches Betreuungskonzept vielleicht sogar ohne die sonst üblichen Distanz- und Maskenregeln möglich sein. Die Tests sollten übrigens weder Selbsttests sein, noch sollten die Lehrer die Tests durchführen müssen. Stattdessen sollte in jeder Einrichtung ein Testteam zur Verfügung stehen, das dafür sorgt, dass ein Zutritt zum Gebäude nicht ohne vorhergehenden Test möglich ist.
Für alle anderen sollte es Home-Schooling-Konzepte geben
Wenn ungefähr 20% der Schüler in solchen Betreuungs-Programmen wären, dann muss sich das Bildungsministerium um ein Konzept für die restlichen Schüler kümmern. Dazu reicht es nicht, die Stundenpläne so wie bisher zu belassen und auf Online-Unterricht umzustellen. Denn die ansonsten vorhandenen kleinen Pausen mit den Freunden fehlen hier, wir brauchen also eine andere Struktur des Unterrichts.
Das könnte dann zum Beispiel so aussehen, dass es von 8 Uhr bis 12 Uhr einen Unterricht über Schulplattformen und interaktive Apps gibt. Von 12 bis 14 Uhr wäre dann Mittagspause und Zeit zur Erholung. Von 14 bis 16 Uhr könnte man dann Videokonferenzen und/oder Einzelgespräche einplanen, in denen die Lehrer(innen) auf eventuelle Verständnis-Probleme und Nachfragen eingehen können.
Auf Hausaufgaben sollte dabei soweit wie möglich verzichtet werden, damit den Kindern und Jugendlichen genügend Freizeit bleibt. Denn ein solcher Distanzunterricht sorgt nun einmal dafür, dass der Kontakt mit Freunden und das gesamte schulische Umfeld fehlen, wir müssen deswegen für genügend Freizeit für außerschulische Aktivitäten sorgen.
Und als eines der wenigen Länder der Welt könnten wir das tatsächlich tun. Hierzulande steht uns die sowohl die gesamte notwendige Technik als auch schnelle Internet-Zugänge flächendeckend zur Verfügung, wir könnten sogar alle Schüler, die zuhause nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, mit modernen Laptops ausstatten. Und wir haben das junge, flexible und motivierte Lehrpersonal, das solche Konzepte ausarbeiten und umsetzen kann. Die Ideen, die Fähigkeiten und die technischen Möglichkeiten sind vorhanden, wir müssen die Lehrer einfach nur anhören.
Das alles ist weit von einer perfekten Lösung entfernt und es wird nicht für den kompletten Unterrichtsstoff des gesamten Schuljahres reichen. Aber es kann dafür sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen trotz der Pandemie-Lage ihre Motivation behalten und es kann sogar für mehr Selbstständigkeit sorgen. Außerdem haben wir diesbezüglich nicht wirklich eine Wahl, denn die Pandemie dominiert nun einmal unseren Alltag und sie wird ihn auch noch eine Weile dominieren.
Und ganz nebenbei kann so etwas dazu beitragen, dass Luxemburg eine Vorreiter-Rolle in Europa übernimmt und bei neuen Lernformen ganz vorne mit dabei ist. Also könnten wir’s doch vielleicht wenigstens versuchen…
Fazit
Wir haben’s jetzt wirklich lange genug verschlafen. Wir hätten schon im Januar die Schulen nicht ohne Konzept öffnen dürfen und haben’s trotzdem getan. Wir hätten spätestens zu Beginn der Karnevalsferien auf die Verbreitung der Mutanten hierzulande reagieren müssen und haben’s nicht getan. Wir sind jetzt zu Beginn der Osterferien, haben unsere Wochen-Inzidenz seit Beginn des Jahres von gut 125 auf weit über 250 gesteigert und haben seitdem 14.416 Neu-Infektionen und 222 Todesfälle zu beklagen.
Die Reaktion der luxemburgischen Regierung darauf? Was Schulen oder Arbeitswelt betrifft, keine! Was neue Ideen zur Eindämmung betrifft, Fehlanzeige! Aber die Gastronomie-Terrassen werden ab dem kommenden Mittwoch wieder geöffnet! Weil man bei der Regierung der Einfachheit halber nur auf die Situation in den Kliniken schaut und damit offenbar durchaus zufrieden ist.
Ob das reicht? Ich befürchte, nein! Ich denke, die Regierung sollte sich jetzt endlich Gedanken um eine Absenkung der Neu-Infektionen machen statt auf eine Durchseuchung der Bevölkerung (besonders der jüngeren) hinzuarbeiten. Es wäre vielleicht so langsam an der Zeit, mal wieder auf die Wissenschaft zu hören.
Aber das schreibe ich mittlerweile schon seit einigen Monaten, bisher ohne Erfolg. Offenbar hört die luxemburgische Regierung eher auf Berater, die die Great-Barrington-Declaration gelesen haben und den darin beschriebenen Unsinn tatsächlich glauben (mehr darüber finden Sie im Artikel Natürliche Durchseuchung führt zu gezielter Ausgrenzung vom 5. November 2020 in diesem Blog). Prof. Christian Drosten sagt in seinem NDR-Podcast folgendes dazu:
Wir haben den falschen Konsens, also das Präsentieren einer Gruppe von scheinbaren Experten. Ich sage hier nur Great Barrington Declaration: Das ist eine ganze Gruppe von Pseudoexperten. Die sind alle nicht aus dem Fach, haben sich aber über infektionsepidemiologische Themen laut geäußert, in Form von schriftlichen Stellungnahmen.
Prof. Christian Drosten im NDR-Podcast, Folge 82
Ich möchte diesen Artikel mit einem Twitter-Thread einer deutschen Kinderärztin abschließen, der auch sehr gut auf die Situation in Luxemburg passt:
In eigener Sache: Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, dann können Sie mir das Schreiben und Recherchieren gerne mit einem Kaffee oder einer kleinen Spende versüßen. Eine Möglichkeit dazu finden Sie auf der Seite Buy me a coffee.
Wie denken Sie darüber? Haben Sie Anmerkungen oder andere Ideen zu diesem Thema? Oder sehen Sie es ganz anders? Schreiben Sie es mir in den Kommentaren.
Pandemiebekämpfung ist keine Naturwissenschaft sondern eine Humanwissenschaft. Aber dieses Themengebiet ist wohl für dem.Author zu komplex.
Pandemien beruhen auf Naturgesetzen, ethische Fragen der Pandemiebekämpfung lassen sich den Humanwissenschaften zuordnen. Aber der Autor des obigen Kommentars scheint eher Politiker oder Humanwissenschaftler zu sein und ist daher zur Erfassung einiger grundlegender Wahrheiten möglicherweise nicht in der Lage…
Vielen herzlichen Dank für diesen hervorragenden Artikel!
Sie haben das Dilemma der offenen Schulen sehr gut erklärt und warum sie für die Infektionszahlen eine so wichtige Rolle spielen! Sie sind Infektionsdrehkreuze – durch die viel ansteckenderen Mutationen, v.a. B117, werden durch Schul-Cluster die Infektionen in die Bevölkerung hineingetragen.
Dass es in Privatschulen tatsächlich noch erlaubt ist, Unterricht ohne Masken und stattdessen mit Plexiglas-Trennwänden durchzuführen, ist kaum zu fassen – weiß man doch seit einem Jahr um die Übertragung durch Aerosole. Denen sind Trennwände herzlich egal.
Die Ausführungen in diesem Artikel sind natürlich 1:1 auf die Situation in Deutschland zu übertragen. Auch hierzulande fragt man sich, zumal als Medizinerin, was in Gottes Namen die Politiker an glasklaren Zusammenhängen nicht verstanden haben. Mit einer Physikerin an der Spitze, die rechnen kann.
Frau Dr. Merkel mag den Ernst der Lage begriffen haben. Jedoch scheint sie nicht (mehr?) die Macht und die Mittel zu haben, die Dinge schnell umzusetzen, die jetzt bitter nötig sind.
Übrigens: Die im Artikel zitierte deutsche Kinderärztin @KinderdocNina, das bin ich…
Hallo und vielen lieben Dank für diesen Kommentar, der mich riesig freut und, zugegebenermaßen, sehr stolz macht 🙂
Was die Politik betrifft scheint es mir immer deutlicher, dass Frau Merkel unter Europas Politikern möglicherweise die einzige ist, die diese Zusammenhänge versteht. Dr. Michael Flohr von der Leibniz Universität Hannover hat unter dem Titel Mathe für Politiker*innen (Frau Dr. Merkel ausgenommen) eine kleine Mathenachhilfe mit Pandemiebezug veröffentlicht (ursrpünglich auf Twitter, aber auch hier im Blog verfügbar), die das derzeitige Problem der Politik so gut beschreibt, dass es schon beinahe wehtut.
Ich schreibe weiter meine Artikel, weil ich die Hoffnung habe, dass die Politik irgendwann einmal einlenkt und das derzeitige Experiment der Durchseuchung beendet. Allerdings befürchte ich, dass wir dafür zunächst einmal in eine nahezu ausweglose Lage geraten müssen. Falls das tatsächlich passieren sollte, hoffe ich mit meinen Artikeln zumindest dazu beizutragen, dass wir nicht vergessen, wer uns das alles eingebrockt hat und künftig der Wissenschaft ein wenig mehr Gehör entgegenbringen.
Liebe Grüße aus Luxemburg
Claus Nehring