Corona

Strategien für Schulen und Tests in Luxemburg

In Luxemburg wurden am 11. Januar 2021 die Schulen wiedereröffnet. Zu diesem Zeitpunkt

  • war längst klar und nachgewiesen, dass die hochinfektiöse SARS-CoV-2-Mutante B.1.1.7 hierzulande aktiv ist,
  • lag die Wochen-Inzidenz (am Tag der Schulöffnung) bei 165,47 und
  • warnte die Covid-19-Task-Force von Research Luxembourg in ihrem Wochenbericht an die Regierung vom 7. Januar 2021 vor einer explosionsartigen Zunahme der Neu-Infektionen.

Wissenschaftler waren sich zu diesem Zeitpunkt bereits weltweit einig darüber, dass Schulöffnungen in einer solchen Situation zu einer Verbreitung der infektiöseren Varianten wie eben B.1.1.7 in die Familien hinein führen würden, ich habe hier im Blog im Artikel Sind die Lockerungen und die Schulöffnung in Luxemburg verantwortungslos? vom 7. Januar 2021 davor gewarnt. Die Worte von Isabella Eckerle vom 30. Dezember 2020 zu diesem Thema sind weithin mediatisiert worden und heute noch so richtig wie damals:

There is no excuse in a few weeks or months from now to claim that this was unexpected, could not have been foreseen or prevented. All the necessary information & urgent steps to take are on the table. The time to act is now.

Isabella Eckerle auf Twitter am 30. Dezember 2020

Leider hat es der luxemburgische Bildungsminister Claude Meisch für richtig befunden, alle diese Warnungen zu ignorieren und die Schulen trotzdem wieder zu öffnen. Das Resultat dieser Ignoranz ist, nach einem zwischenzeitlichen Rückgang auf 125,86 am 19. Januar 2021, eine Wochen-Inzidenz von 175,53 (Stand: 15. Januar 2021) bei steigender Tendenz. Und die Variante B.1.1.7 wurde im letzten Wochen-Bericht des Laboratoire National de Santé (LNS) vom 12. Februar 2021 als die mit 39 Prozent am häufigsten sequenzierte Variante hierzulande genannt.

Der gerade erschienene CoronaSTEP-Bericht über die Virus-Konzentration in den Kläranlagen erinnert stark an die Situation vor der zweiten Welle Mitte Oktober 2020 und der letzte Wochenbericht der Covid-19-Taskforce vom 11. Februar 2021 spricht ebenfalls von der Gefahr einer explosiven Entwicklung. In einer Einschätzung der derzeitigen Lage für das Tageblatt hat das Mitglied der Covid-19-Taskforce Dr. Alexander Skupin noch einmal eindrücklich auf die gefährliche Entwicklung hingewiesen.

Diese Entwicklung lässt sich schwerlich auf etwas anderes als die Schulen zurückführen, die Öffnung der Geschäfte des Einzelhandels kann, wenn überhaupt, nur für einen geringen Teil davon verantwortlich sein.

Wer nun allerdings meint, dass sich die Regierung und das Bildungsministerium deswegen um eine Änderung des Maßnahmen-Konzepts oder um eine Schließung der Schulen Gedanken machen würden, der irrt. Die Schulen sollen nach den Karnevalsferien ohne großartig geändertes Konzept wieder öffnen und die bestehenden Maßnahmen wurden ohne größere Änderung bis zum 14. März 2021 verlängert. Neue Konzepte? Fehlanzeige!

Nicht einmal zu einer vorgezogenen Impfung des Personals der Bildungs-Strukturen hat man sich durchringen können, von einer Test-Strategie, die endlich auch auf Antigen-Schnelltests baut, ganz zu schweigen.

Stattdessen wird offenbar weiter auf Sicht gefahren und gehofft, dass schon alles irgendwie gut ausgehen wird. Deswegen habe ich in diesem Artikel ein weiteres Mal zusammengefasst, was wir hierzulande jetzt eigentlich tun müssten.

Der Artikel geht speziell auf die Schulen und auf die Teststrategie ein, weil damit vermutlich das größte Potential zur Eindämmung der Pandemie verbunden ist. Die restlichen Maßnahmen der luxemburgischen Regierung sind in der noch bis mindestens zum 14. März 2021 geltenden Form meiner Meinung nach durchaus zielführend und gut durchdacht. Bei Interesse finden Sie mehr zu diesem Thema im Artikel Corona und die Strategie für die nächsten Monate vom 26. Januar 2021 in diesem Blog.

Strategien für die Bildungs-Strukturen

Ja, es ist möglich, die Bildungs-Strukturen auch in einer Pandemie offen zu halten, denn sie sind nicht der Treiber dieser Pandemie. Aber sie sind einer der Haupt-Multiplikatoren, spiegeln das Infektions-Geschehen in der Bevölkerung wider und verstärken es. Deswegen ist es sinnvoll und notwendig, diese Strukturen solange zu schließen, bis eine Wochen-Inzidenz erreicht ist, bei der ein schnelles Kontakt-Tracing machbar ist.

Diese zu erreichende Wochen-Inzidenz dürfte in Luxemburg aufgrund der hohen Testanzahl und der guten personellen Ausstattung der Gesundheitsbehörden höher liegen, als das beispielsweise in Deutschland der Fall ist. Trotzdem darf bezweifelt werden, dass die Behörden bei durchschnittlich knapp 160 Neu-Infektionen pro Tag und mit frei zirkulierenden infektiöseren Varianten noch eine Nachverfolgung der Kontakte gewährleisten können. Man wird davon ausgehen müssen, dass auch hierzulande ein effizientes Kontakt-Tracing nur bis zu rund 70 Neu-Infektionen pro Tag (das entspricht in Luxemburg einer Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner von rund 78) möglich ist.

Vor Erreichen dieses Wertes ist die Öffnung der Schulen ein Hochrisiko-Experiment mit kaum absehbaren Folgen für die Gesundheit der Schüler, Lehrer und Erzieher. Denn wir wissen mittlerweile:

  • dass die neuen SARS-CoV-2-Varianten gerade jüngere Menschen vermehrt befallen, auch wenn sie weniger häufig unter schweren Verläufen zu leiden haben und
  • dass das Personal der Bildungs-Strukturen mit am stärksten von der Covid-19-Erkrankung betroffen ist, gerade auch das mit sehr jungen Kindern arbeitende Personal, weil sich in dieser Altersgruppe eine Maskenpflicht kaum vernünftig durchsetzen lässt.

Schon alleine deswegen ist die Öffnung von Bildungs-Strukturen ohne vorheriges Impfangebot an das dort arbeitende Personal so ziemlich der Gipfel der Verantwortungslosigkeit (wie’s besser geht, zeigt übrigens gerade Chile). Eine Maskenpflicht für ältere Schüler ändert daran überhaupt nichts, etwas mehr Konzept täte dringend not. Ein solches Konzept gibt es durchaus, es müsste nur an die luxemburgischen Realitäten angepasst werden. Die Basis zu den folgenden Vorschlägen finden Sie hier.

Anmerkung: Die folgenden Vorschläge basieren auf der jeweils herrschenden Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in ganz Luxemburg. Man könnte grundsätzlich auch das gesamte Land in verschiedene Zonen (das Green-Zone-Modell des ECDC) einteilen. Das würde sich allerdings schwierig gestalten, weil man dann auch unterschiedliche Maßnahmen in den verschiedenen Teilen Luxemburgs durchsetzen müsste, was meiner Meinung nach kaum umsetzbar wäre. Bei der doch recht geringen Größe des Landes wären wahrscheinlich landesweit gültige Maßnahmen die bessere und leichter durchsetzbare Lösung.

Wochen-Inzidenz über 80

Alle Bildungs-Strukturen bleiben geschlossen, Schulen funktionieren ausschließlich im Home-Schooling. Sowohl in Betreuungs-Einrichtungen als auch in Schulen sollten Not-Betreuungen für besonders betreuungsbedürftige Kinder/Schüler und für Kinder von Eltern aus systemrelevanten Berufen geschaffen werden, in deren Rahmen eine normale Betreuung ermöglicht werden kann.

Die Vorgabe sollte hierbei sein, das maximal 20 % der Kinder und Jugendlichen in der Präsenz-Betreuung sein können, es muss sich hierbei um immer dieselben Kinder und Jugendlichen handeln. Die Kriterien für die Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen sollten von der Regierung allgemeingültig erarbeitet werden, die besonders betreuungsbedürftigen Kinder und Jugendlichen müssen von der jeweiligen Bildungs-Struktur benannt werden.

Diese Strategie kann ab sofort in Kraft treten. Es sollte sichergestellt werden, dass jeder Teilnehmer an den Not-Betreuungen mindestens einmal pro Woche per PCR-Test getestet wird, bis genügend Schnelltests für zwei Tests pro Woche zur Verfügung stehen (siehe unten bei der Test-Strategie). im Kapitel über Schnelltests. Das betreuende Personal sollte bei den Impfungen als systemrelevant eingestuft und vorrangig berücksichtigt werden. Bis zu der erfolgten Impfung sollten die obigen Test-Anforderungen auch für das Personal gelten.

Wochen-Inzidenz über 50 und unter 80

Wenn die Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner stabil auf Werte unter 80 gefallen ist, können die Bildungs-Strukturen für Kinder bis zu 11 Jahren teilweise wieder geöffnet werden, um die Eltern (und damit auch die Wirtschaft) auf diese Weise zu entlasten. Betreuungs-Einrichtungen (maisons relais, précoce) können zum Normalbetrieb zurückkehren, für die Grundschulen werden die Klassen in A/B-Gruppen aufgeteilt und wöchentlich alternierend im Präsenz-Unterricht und im Home-Schooling unterrichtet. Für Kinder ab 12 Jahren (also ab der Sekundarschule) gilt weiterhin ausschließlich Home-Schooling plus Notbetreuung wie oben erläutert.

Cartoon by Thierry Lutz
© Thierry Lutz

Allerdings sollte man auch bei dieser Wochen-Inzidenz den Ängsten vieler Kinder und Eltern Rechnung tragen und eine Möglichkeit schaffen, dass Kinder unter 12 Jahren auf eigenen Wunsch auch weiterhin im Home-Schooling von Zuhause aus betreut werden können.

Eine solche Regelung dürfte trotz vergleichsweise hoher Wochen-Inzidenz möglich sein, weil sich die schon im letzten April vorhandenen Hinweise darauf, dass Kinder bis zu 11 Jahren offenbar deutlich weniger am Infektions-Geschehen beteiligt sind, mittlerweile bekräftigt haben (siehe beispielsweise hier bei Quarks oder hier im Artikel Schulen und Feiern – Mögliche Treiber der zweiten Welle vom 22. Juni 2020 in diesem Blog).

Die am stärksten gefährdeten Personengruppe in diesem Szenario ist übrigens das Personal der Bildungs-Strukturen (Lehrer, Erzieher, Betreuer usw.), die in ständigem Kontakt mit den Kindern sind. Deswegen ist es zwingend notwendig, dass diese Personen vor Öffnung irgendeiner Bildungs-Einrichtung die Möglichkeit zur Impfung erhalten.

Weitere Voraussetzung für das Inkrafttreten dieser Stufe ist das Vorhandensein von genügend Schnelltests zur Testung aller Kinder und Jugendlichen mindestens 2-Mal pro Woche. Da es bis zum Erreichen einer Wochen-Inzidenz in dieser Höhe einige Wochen dauern dürfte, sollte genügend Zeit für eine entsprechende Vorbereitung vorhanden sein.

Wochen-Inzidenz über 25 und unter 50

Sobald die Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner stabil auf Werte unter 50 gefallen ist, kann auch wieder mit einem eingeschränkten Präsenz-Unterricht für Kinder und Jugendliche über 11 Jahre begonnen werden. Auch hier müssen die Klassen allerdings weiterhin in A/B-Gruppen aufgeteilt werden, die wöchentlich alternierend im Präsenz-Unterricht und im Home-Schooling unterrichtet werden.

Bezüglich der Impfung des Personals der Bildungs-Strukturen und der Nutzung von Schnelltests gilt das oben Gesagte.

Wochen-Inzidenz unter 25

Ab einer stabilen Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner von unter 25 können die Bildungs-Strukturen wieder mit kompletten Klassen im Präsenz-Unterricht arbeiten. Auch hier gilt bezüglich der Impfung des Personals der Bildungs-Strukturen und der Nutzung von Schnelltests das bereits oben Gesagte.

Allgemeines zu den oben genannten Maßnahmen

In den vorherigen Absätzen ist von einer „stabilen Wochen-Inzidenz“ die Rede. Damit ist gemeint, dass die Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner für mindestens sieben aufeinanderfolgende Tage ständig unterhalb des jeweiligen Maximalwerts liegen muss. Wenn die Wochen-Inzidenz sich erneut dem oberen Grenzwert einer Kategorie nähert und die Tendenz (ablesbar am R-Wert) eher steigend ist, sollten möglichst umgehend wieder die Maßnahmen der jeweils darüber liegenden Kategorie eingeführt werden.

Neben den oben genannten Maßnahmen sollte die Einhaltung der derzeit geltenden Abstands- und Hygiene-Regeln sowie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes selbstverständlich sein.

Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, langfristig eine sinkende Tendenz der Neu-Infektionen zu erreichen. Wie schnell und wie stabil das erreichbar sein wird, hängt mit den Auswirkungen der neuen Varianten (Infektiösität, Krankheitsverläufe, Auswirkungen auf jüngere Menschen usw.) zusammen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar definiert werden können.

Die Test-Strategie in Luxemburg

Die Test-Strategie hierzulande beruht derzeit auf PCR-Tests, die entweder auf Rezept, im Rahmen der Kontaktnachverfolgung, bei der Einreise über den Flughafen und im Rahmen des Large-Scale-Testing durchgeführt werden. Die Testkapazitäten sind sehr hoch, Luxemburg gehört zu den Ländern mit den meisten Tests pro Einwohner und damit auch zu den Ländern mit der kleinsten Dunkelziffer an unentdeckt Infizierten.

Deswegen ist die Wochen-Inzidenz in Luxemburg nur bedingt mit der in anderen Ländern vergleichbar, in denen deutlich weniger asymptomatische und präsymptomatische Infektionen aufgedeckt werden können. Eine Möglichkeit zum Vergleich bietet zum Beispiel die Einbeziehung der Fallsterblichkeit zur Berechnung einer Kennzahl, ich habe eine solche Methode schon einmal im Artikel Ein Vorschlag zur europäischen Vergleichbarkeit der Wochen-Inzidenz vom 16. Dezember 2020 skizziert.

Die hierzulande verfolgte Test-Strategie ist sicherlich eine der besten weltweit und hat uns in Luxemburg eine bessere Kontrolle des Infektions-Geschehens erlaubt, als das in anderen Ländern der Fall war. Zum Zeitpunkt der Planung und Einführung dieser Strategie gab es kaum Alternativen zu PCR-Tests, das hat sich mit den heute verfügbaren Antigen-Schnelltests allerdings geändert.

Deswegen wäre es jetzt an der Zeit, die hiesige Test-Strategie grundlegend zu überarbeiten und zugunsten von Antigen-Schnelltest weitgehend auf das Large-Scale-Testing zu verzichten. Denn mit den Large-Scale-Tests wurden bisher in knapp 1 Million PCR-Tests weniger als 10.000 positive Fälle gefunden, das entspricht einer Positiv-Rate von weniger als 1 %.

Mit dem gleichen Zeit- und Kostenaufwand lassen sich mit Antigen-Schnelltests deutlich mehr Tests durchführen. Und da die Schnelltests eher auf hochinfektiöse Personen reagieren, dürfte sich die Erfolgsquote dadurch deutlich verbessern.

Mehr zum Thema finden Sie übrigens auch im Artikel Antigen-Schnelltests – Game-Changer oder trügerische Hoffnung? vom 25. Dezember 2020 in diesem Blog und in diesem Artikel von Christian Klein in seinem Blog.

Die Vorteile von Antigen-Schnelltests

Antigen-Schnelltests sind zwar weniger empfindlich als PCR-Tests, das könnte für uns aber durchaus einen Vorteil bedeuten. Denn der PCR-Test kann auch geringste Viruslasten nachweisen und fällt damit auch bei Personen positiv aus, die zwar infiziert, aber nicht mehr in der infektiösen Phase der Erkrankung sind. Antigen-Schnelltests reagieren hingegen besser auf hohe Viruslasten und sind damit ideal zum schnellen Herausfiltern von hochinfektiösen Personen aus einer größeren Gruppe geeignet.

Und diese Vorteile lassen sich recht einfach nutzen, wenn man Antigen-Schnelltests in den Eingangsbereichen öffentlich zugänglicher Gebäude (Kliniken, Altersheime, Schulen, Ämter usw.) verpflichtend macht und den Zutritt nur mit einem negativen Ergebnis erlaubt.

Testen, Isolieren, Nachtesten

Die Strategie ist dabei relativ einfach. Jede Person, die ständig in einem öffentlichen Gebäude lebt oder arbeitet (Schüler, Bewohner von Altenheimen, Personal von Schulen, Kliniken usw.) wird anhand eines festen Plans zweimal pro Woche mittels Antigen-Schnelltest getestet. Im Falle eines positiven Resultats wird die betreffende Person unverzüglich isoliert und erhält (idealerweise am selben Tag) die Möglichkeit eines PCR-Tests.

Im Falle eines negativen Resultats des PCR-Tests wird die Isolation unverzüglich aufgehoben, bei einem positiven Resultat folgt eine Quarantäne und die Nachverfolgung der Kontakte der betreffenden Person.

Für gelegentliche Besucher dieser öffentlichen Gebäude gilt die Pflicht zur Durchführung eines Antigen-Schnelltests vor dem Betreten des Gebäudes, ein Zugang ist nur nach Vorliegen eines negativen Ergebnisses möglich.

Weitergehende Nutzung der Schnelltests

Wenn genügend dieser Antigen-Schnelltests beschafft werden können, dann könnte man noch einen Schritt weitergehen und das derzeitige Large-Scale-Testing mittels PCR-Test komplett durch diese Schnelltests ersetzen. Damit ließe sich die Testung bei nahezu gleichbleibendem finanziellen Aufwand erheblich ausweiten, da der Kostenaufwand der Laboruntersuchung entfällt. PCR-Tests wären dann nur noch für die per Schnelltest positiv getesteten Personen und zur Aufhebung eventueller Quarantäne-Anordnungen notwendig.

Es wäre auch sehr gut denkbar, jeder getesteten Person die Resultate „seiner“ Schnelltests durch ein verifiziertes Dokument zu bestätigen, dafür würde sich das vom luxemburgischen Staat unterhaltene System GouvCheck anbieten, das die Kontrolle der Echtheit des Dokuments mittels QR-Code per App möglich macht.

Mit diesen verifizierten und für jedermann überprüfbaren Testresultaten ließen sich dann beispielsweise Eingangskontrollen durch Nachweis eines bereits vorliegenden negativen Resultats umgehen. Dadurch ließe sich zum einen der Eintritt in öffentliche Gebäude beschleunigen, zum anderen würde man die ansonsten zum Einlass notwendigen Schnelltests einsparen.

Letztlich würde ein solches System bei überschaubaren Kosten die Sicherheit für jeden von uns deutlich erhöhen und uns eine schnellere Rückkehr zu „normalen“ Verhältnissen ermöglichen. Denn bei niedrigen Wochen-Inzidenzen könnte man mit solchen für jedermann mittels einer App verifizierten Testresultaten sogar den Zugang zu Restaurants oder Veranstaltungen schnell und einfach ermöglichen.

Anmerkung zu den Kosten: Der Kostenaufwand für das Large-Scale-Testing beläuft sich bei 53.000 PCR-Tests und 1.000 serologischen Tests pro Woche laut Gesundheitsministerin Paulette Lenert auf rund 42,83 Millionen € für den Zeitraum vom 15. März bis zum 15. Juli 2021. Für Antigen-Schnelltests in den Eingangsbereichen der öffentlichen Gebäude wären pro Woche ungefähr 600.000 Schnelltests zum Stückpreis von ungefähr € 5 notwendig, das entspräche einem wöchentlichen Kostenaufwand von rund 3 Millionen €, der aber größtenteils durch den Wegfall der meisten PCR-Tests aufgefangen werden könnte.

Messbarkeit und Visualisierung der derzeitigen Lage

Einer der Vorteile eines solchen Systems liegt in der einfachen Visualisierung der Daten für jeden interessierten Bürger. Denn anstelle der Unmenge an Zahlen, die heute auf uns einströmen, sind hier zur Messbarkeit nur noch einige wenige Werte notwendig, die sich zudem leicht auf einer Art vierfarbigen „Corona-Ampel“ darstellen lassen.

Da wäre zunächst einmal die Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner, die heute (16. Februar 2021) bei 175,53 liegt. Hier würde sich ein sinnvolles System an den oben genannten Bandbreiten orientieren:

  • ROT : Inzidenz über 80
  • ORANGE : Inzidenz seit einer Woche unter 80, aber über 50
  • GELB : Inzidenz seit einer Woche unter 50, aber über 25
  • GRÜN : Inzidenz seit einer Woche unter 25

Die zweite Ampel bezieht sich auf den Trend, den man anhand der Reproduktionszahl im Durchschnitt der jeweils letzten 7 Tage darstellen kann:

  • ROT : R-Wert über 1,1
  • ORANGE : R-Wert zwischen 1,0 und 1,1
  • GELB : R-Wert zwischen 0,9 und 1,0
  • GRÜN : R-Wert unter 0,9

Die dritte Ampel gibt die Anzahl der Antigen-Schnelltests pro 100.000 Einwohner wieder, die in den letzten 7 Tage durchgeführt wurden. Da das Ziel darin bestehen sollte, im Idealfall jeden Bürger des Landes zweimal pro Woche zu testen, ergeben sich hier folgende Werte:

  • ROT : Unter 100.000 Tests/100.000 Einw.
  • ORANGE : Zwischen 100.000 und 150.000 Tests/100.000 Einw.
  • GELB : Zwischen 150.000 und 200.000 Tests/100.000 Einw.
  • GRÜN : Über 200.000 Tests/100.000 Einw.

Detaillierter Zahlen in Form der bereits bestehenden Tages- und Wochen-Berichte und der Daten auf der Covid-19-Website der Regierung müssen natürlich auch weiterhin für die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, aber bereits aus den drei Ampeln lassen sich alle wichtigen Information zum aktuellen Infektions-Geschehen in einfacher Form ablesen.

Einfluss der Wochen-Inzidenz und der Teststrategie auf andere Bereiche

Natürlich hat die Wochen-Inzidenz in den oben genannten Abstufungen und die geänderte Teststrategie aber auch Auswirkungen auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens. Denn geringe Wochen-Inzidenzen machen vieles, beispielsweise im Horeca-Sektor oder bei Veranstaltungen, wieder möglich. Die genauen Abstufungen solcher Lockerungen von Maßnahmen würden allerdings den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Aber allein die Verfügbarkeit eines durch jedermann verifizierbaren Testresultats sorgt dafür, dass über Öffnungen auch in anderen Bereichen nachgedacht werden kann. Denn dadurch wäre es beispielsweise einem Restaurant einfach möglich, das Vorliegen eines negativen Schnelltests zu kontrollieren und sicherzustellen, dass dieses Resultat nicht älter als eine bestimmte Anzahl an Stunden (z.B. 72) ist.

Fazit

Es ist mir durchaus bewusst, dass diese Maßnahmen manche vermutlich an den Orwell’schen Überwachungsstaat denken lassen werden. Aber das ist keineswegs die Intention, solche Maßnahmen müssen natürlich ständig hinterfragt werden und unter parlamentarischer Kontrolle bleiben.

Aber wir werden uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass wir uns noch wenigstens bis zum Herbst auf ein Leben mit diesem Virus einstellen müssen. Und die aufgetretenen Mutanten wie B.1.1.7 werden sich hierzulande genauso wie im Rest der Welt durchsetzen und uns vor neue Probleme stellen.

Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir JETZT mit Maßnahmen auf diese Situation reagieren und unserer Regierung keine weiteren Experimente gestatten. Und bei der Senkung der Neu-Infektionen stehen nun einmal leider die Bildungs-Strukturen an allererster Stelle, auch wenn unser Bildungsminister das offenbar anders sieht. Wir werden kaum an der Tatsache vorbeikommen, dass wir diese Strukturen so schnell wie möglich schließen müssen, um sie so schnell wie möglich wieder öffnen zu können. Jede Woche, die wir damit länger warten, ist eine Woche zu viel.

Es gibt genügend Studien zu diesem Thema und sie identifizieren alle die Schulen als einer der maßgeblichen Multiplikatoren dieser Pandemie. Beispiele dafür wären diese Studie des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (LISER), die am 21. Januar 2021 auf Nature veröffentlicht wurde oder diese Studie der University of Oxford vom 15. Dezember 2020, die auf Science erschienen ist. Zu ganz ähnlichen Resultaten kommt auch eine aktuelle Studie über die Aerosol-Verbreitung in verschiedenen Räumen des Hermann-Rietschel-Instituts an der Technischen Universität Berlin. Eine schöne Visualisierung der Infektionsgefahr durch Aerosole gibt es auch hier bei der ZEIT.

Fast alles davon war schon am 11. Januar 2021 bekannt und wurde damals ignoriert. Die Folgen dieser Ignoranz sehen wir heute. Genau deswegen sollten wir nicht zulassen, dass die Schulen noch ein weiteres Mal zur Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in die Familien beitragen können. Wir werden in den nächsten Wochen noch ansteigende Fallzahlen sehen. Diese Fälle wurden durch das bisherige Infektions-Geschehen in den Schulen verursacht und wir können sie nicht mehr verhindern.

Wir können heute durch entschlossenes Handeln allerdings dazu beitragen, dass uns die Folgen dieser falschen Entscheidungen zumindest nur so kurz wie möglich belasten. Aber dieses Handeln muss JETZT erfolgen, nicht erst dann, wenn die Zahlen bereits wieder auf einem neuen Höhenflug sind.

Daher verweise ich an dieser Stelle noch einmal auf ein paar aktuelle Worte von Isabella Eckerle, die sich bisher mit ihren Einschätzungen der Lage nur sehr selten getäuscht hat:

Es geht jetzt zum 3. Mal wieder nach dem gleichen Schema: zu frühe Lockerung ohne Folgeplan, Wiederaufflammen von #SARSCoV2 (dieses Mal mit neuer Variante), eine 3. Welle mit allem was dazu gehört, Überraschung!, dann (zu spät) wieder große Einschränkungen mit all deren Folgen

Isabella Eckerle auf Twitter am 16. Februar 2021

In eigener Sache: Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, dann können Sie mir das Schreiben und Recherchieren gerne mit einem Kaffee oder einer kleinen Spende versüßen. Eine Möglichkeit dazu finden Sie auf der Seite Buy me a coffee.

Wie denken Sie darüber? Haben Sie Anmerkungen oder andere Ideen zu diesem Thema? Oder sehen Sie es ganz anders? Schreiben Sie es mir in den Kommentaren.

Claus Nehring

Ich bin freiberuflicher Autor, Journalist und Texter (aka "Schreiberling") aus Luxemburg. Als Informatiker und Statistiker habe ich jahrelange Erfahrung in der Visualisierung und Modellierung großer Datenmengen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit Infektionskrankheiten und publiziere Artikel zu diesem Thema, aus verschiedenen anderen Wissenschafts-Bereichen und aus dem Bereich Internet & Gesellschaft,

2 Kommentare

  1. Lieber Herr Nehring, ich lese Ihre Artikel immer wieder gerne, da ich Ihre Argumentation meistens gut nachvollziehen kann. Als Gymnasiumlehrer sehe ich noch ein zusätzliches Problem, das aber zumindest vom Ministerium nicht gesehen werden will: die mangelhafte Umsetzbarkeit in der Praxis.
    Hierzu ein paar Beispiele: Wenn ich in eine Klasse komme, sitzen dort immer drei oder vier Schüler, die ihre Maske erst anziehen, wenn der Lehrer die Klasse betritt. Eigenverantwortung greift hier sehr schlecht. So habe ich auch jetzt schon Aussagen von Schülern, die versuchen werden, positive Resultate von Tests, die sie selber machen würden, zu verstecken, da sie sonst nicht mehr nach der Schule mit ihren Freunden unterwegs sein könnten.
    Werden Klassen isoliert, weil es einen oder zwei Fälle in der Klasse gibt, bedeutet dies, dass sie auch getrennt von den andern essen müssen. Das wiederum heißt, dass sie zu 25 in einem engen Klassenraum essen, also ohne Maske.
    Bei den Lehrern wird von FFP2-Masken gesprochen. Ich persönlich habe es versucht, und es erweist sich zumindest für mich als sehr schwierig an Tagen mit 7 Stunden Unterricht und 4 Stunden Unterricht am Stück… starke Kopfschmerzen sind da vorprogrammiert.
    Ich könnte noch andere Beispiele nennen, aber eigentlich geht es mir nur darum aufzuzeigen, dass auch die besten Konzepte nur bedingt umsetzbar sind und man dies bei der Planung mit berücksichtigen sollte.
    Dann gebe ich Ihnen absolut Recht, dass neue Konzepte gesucht werden sollten. Warum nicht wie in Krankenhäusern Fieber beim Betreten der Schule messen? Interessant wäre es sicherlich auch, mal ein ganzes Gymnasium durchzutesten, wenn dort Fälle auftreten, um einfach mal einen Ist-Zustand bei einer Schule mit über 1500 Schülern zu bekommen.
    Mir freundlichen Grüßen, Marc Engelmann

    1. Hallo Herr Engelmann, ich bedanke mich ganz herzlich für den ausführlichen Kommentar 🙂

      Es freut mich sehr, dass Ihnen meine Artikel und meine Ideen gefallen. Bezüglich der Umsetzbarkeit und der Notwendigkeit neuer Konzepte bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Es wäre wirklich schön, wenn sich das Bildungsministerium irgendwann auch einmal mit diesen Dingen beschäftigen und ein umsetzbares und aus epidemiologischer Sicht sinnvolles Konzept erarbeiten würde.

      Für den Moment bin ich aber schon sehr froh, dass ich mein primäres Ziel zu erreichen scheine und mein Artikel offenbar zunehmend als Basis für Diskussionen dient 🙂

      Mit freundlichen Grüßen

      Claus Nehring

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