Quo vadis, Luxemburg?
In Luxemburg nimmt seit gut einer Woche die Anzahl der Neu-Infektionen wieder stark zu. In der grafischen Darstellung wirkt das mittlerweile durchaus wie der Beginn einer zweiten Pandemie-Welle.
Und damit stellt sich die Frage, wie es in Luxemburg so weit kommen konnte. Denn bisher sah die Lage hierzulande eigentlich eher danach aus, als sei die Situation mehr oder weniger unter Kontrolle. Was also hat sich geändert?
In den sozialen Netzwerken und in den Medien wird als Grund für den derzeitigen Anstieg gerne entweder die stark gestiegene Anzahl der Tests oder die Zunahme privater Partys genannt. Aber leider sind beide Erklärungsversuche nur teilweise stichhaltig.
Die gestiegene Anzahl der Tests
Sicherlich ist die Anzahl der Corona-Tests in den letzten Wochen deutlich angestiegen, mittlerweile wurden mehr als 200.000 Tests in Luxemburg durchgeführt. Allerdings stammen laut der Gesundheitsministerin (in einer Pressekonferenz am 1. Juli) nur rund 10 % der positiv getesteten Personen aus diesem Large-Scale-Testing.
Deswegen lässt sich der Anstieg der Neu-Infektionen kaum alleine mit der gestiegenen Anzahl an Tests durch das Large-Scale-Testing erklären, neue Infektionsketten haben sich offenbar mittlerweile im ganzen Land gebildet. Das ergibt sich auch aus einer aktuellen Abwasser-Untersuchung in Luxemburg, auf die auf einer Pressekonferenz am 1. Juli 2020 am Rande hingewiesen wurde (nachzulesen beispielsweise hier im L’essentiel).
Die vermehrten Partys
Auch mit vermehrten privaten Partys als Superspreading-Events lassen sich diese Neu-Infektionen kaum erklären. Denn laut der Gesundheitsministerin (nachzulesen beispielsweise hier im Luxemburger Wort) lässt sich nur ein Cluster mit 24 Neu-Infektionen auf eine solche Party zurückführen. Die restlichen Neu-Infektionen lassen sich offenbar keinen größeren Infektionsclustern zuordnen, sondern tauchen an verschiedenen Stellen auf. Auch das spricht dafür, dass sich in der gesamten Bevölkerung bereits unerkannte Infektionsketten gebildet haben.
Insofern haben private Partys vermutlich ebenso wie Feiern in Innenräumen von Bewirtungsbetrieben durchaus etwas mit der steigenden Anzahl von Neu-Infektionen zu tun, alleine reicht das als Erklärung aber wahrscheinlich auch nicht aus.
Wegfall der Einschränkungen im privaten Bereich
Die luxemburgische Regierung hatte eigentlich darauf gesetzt, dass in den aktuellen CoVid-19-Gesetzen auch Einschränkungen im privaten Bereich bestehen bleiben. Diese Einschränkungen wurden allerdings vom Staatsrat abgelehnt. Momentan macht es den Eindruck, als sei der Wegfall dieser Einschränkungen keine besonders tolle Idee gewesen. Denn zum einen wurde durch diese Entscheidung ein völlig falsches Zeichen zur Rückkehr in die „Normalität“ ausgesandt (und von einem Teil der Bevölkerung als Aufforderung zur Party verstanden), zum anderen wurde den Ordnungskräften in vielen Situationen ein Eingreifen erschwert oder sogar unmöglich gemacht.
Aber mit dem jetzigen Anstieg der Neu-Infektionen haben diese jetzt nicht mehr existierenden Einschränkungen nichts zu tun. Denn diese Neu-Infektionen beruhen auf dem Geschehen von vor zwei bis drei Wochen, zu einem Zeitpunkt also, als die Notstandsgesetze noch in Kraft waren.
Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die Entscheidung zum Wegfall der Beschränkungen negative Konsequenzen für das Infektionsgeschehen in Luxemburg haben wird. Die Regierung sieht das offenbar ähnlich und versucht derzeit, die Zustimmung des Staatsrats zu neuen gesetzlichen Maßnahmen zu bekommen.
Die tatsächlichen Auswirkungen dieser möglicherweise fatalen Entscheidung werden allerdings erst in ein oder zwei Wochen in ihrer ganzen Tragweite sichtbar sein und dann mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen, dass die Neu-Infektionen noch einmal erheblich zunehmen werden.
Der Wegfall der Gruppentrennung in den Schulen
Ähnliches gilt für die vor einer Woche erfolgte vollständige Öffnung der Schulen. Aus dem Infektionsgeschehen in anderen Ländern lässt sich ableiten, dass diese Öffnung in der Altersgruppe bis ungefähr 13 oder 14 Jahren keine allzu großen Konsequenzen haben dürfte. Anders sieht es leider bei den 15- bis 20-jährigen aus.
Hier ist das Ansteckungs- und Infektions-Verhalten wohl ähnlich wie bei Erwachsenen, die Schulöffnung dürfte vermutlich bereits zur Entstehung neuer Infektionsketten in viele Familien hinein gesorgt haben. Die Problematik habe ich bereits in den Artikeln Schulen und Feiern – Mögliche Treiber der zweiten Welle vom 22. Juni und Die Rückkehr zum normalen Schulbetrieb könnte zum Problem werden vom 17. Juni ausführlich beschrieben, sie hat sich seitdem nicht geändert.
Und da bei den in den Schulen bisher entdeckten Infektionen leider nicht mit konsequenten Quarantäne-Maßnahmen reagiert worden ist, dürften sich auch aus dieser Entscheidung bereits heute diverse unentdeckte Infektionsketten ergeben haben, die in den nächsten Wochen sichtbar werden dürften.
Fazit
Alles in allem sieht es leider sehr danach aus, als seien die jetzt sichtbaren ansteigenden Neu-Infektionen nur die Spitze des Eisbergs. Die auf gemeinsamen Druck von Bevölkerung, Wirtschaft und Medien durchgesetzten viel zu schnellen und umfangreichen Öffnungen werden vermutlich dafür sorgen, dass in nächster Zukunft wieder einige Einschränkungen auf uns zukommen werden.
Denn die jetzt sichtbaren Neu-Infektionen stammen noch aus der Zeit der Notstandsgesetze und sind vermutlich auf die Öffnung der Innenräume von Cafés, Brasserien und Restaurants und auf private Feierlichkeiten zurückzuführen, bei denen die Abstands- und Hygiene-Maßnahmen teilweise vernachlässigt worden sind.
Dazu kommt die Gesamtheit der Lockerungs-Maßnahmen der letzten Wochen und die immer weiter um sich greifende Vernachlässigung der Abstands- und Hygiene-Vorschriften. Alles zusammen hat offenbar bereits jetzt dazu geführt, dass sich überall im Land unentdeckt neue Infektionsketten gebildet haben, die dann letztlich zu der jetzt zu beobachtenden Steigerung der Neu-Infektionen geführt haben.
Die Folgen der aktuellen Öffnungen im privaten Bereich und in den Schulen sind bisher hingegen im Infektionsgeschehen noch kaum präsent und werden sich erst in den nächsten ein bis zwei Wochen abzeichnen, eine weitere Erhöhung der Neu-Infektionen ist leider mehr als wahrscheinlich.
Der einzige Lichtblick in der jetzigen Situation dürfte darin liegen, dass sich das Infektionsgeschehen (wie übrigens in anderen Ländern auch) mehr und mehr auf jüngere Menschen bis zu 40 Jahren verlagert. Da diese Altersgruppe im Allgemeinen mit einem weniger schweren Verlauf der CoVid-19-Erkrankung rechnen darf, dürfte sich die Situation im Gesundheitswesen nicht so rapide verschlechtern, wie das im März und April dieses Jahres der Fall war.
Andererseits entstehen momentan überall in Luxemburg neue Infektionsketten, die über kurz oder lang auch Personen mit einem erhöhten Risiko schwerer Folgen einer Erkrankung betreffen dürften. Daher ist hier wohl der Hinweis angebracht, dass nicht nur ältere Personen zur Risikogruppe zählen. Vorerkrankungen wie Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Asthma, Bronchitis, Lebererkrankungen, Diabetes, Krebs, Übergewicht oder Immunschwäche erhöhen das Risiko eines schweren Verlaufs einer CoVid-19-Erkrankung erheblich und treten durchaus auch bei jüngeren Personen auf.
Deswegen sollte sich gerade jetzt für jeden von uns die Frage stellen, ob wir unsere wieder gewonnenen Freiheiten dazu nutzen wollen, die bisher erzielten Erfolge wieder aufs Spiel zu setzen. Oder ob es nicht vielleicht sinnvoller wäre, auf die eine oder andere Freiheit mit Rücksicht auf andere Menschen einfach einmal freiwillig zu verzichten. Kontrollieren können wir diese Pandemie ohne neuerliche Einschränkungen nur dann, wenn wir uns alle an ein paar Regeln halten und uns immer dann testen lassen, wenn wir die Möglichkeit dazu bekommen.
Eine aktualisierte Fortsetzung zu diesem Artikel finden Sie unter dem Titel Was wir in Luxemburg JETZT tun sollten in diesem Blog.
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