Corona

Was sagen Antikörpertests eigentlich aus?

Zuletzt aktualisiert am 17. August 2021 von Claus Nehring

Antikörpertests scheinen immer mehr zum allgemeinen Hobby zu werden, jedenfalls sind Begriffe wie Antikörper und Antikörper-Titer recht oft in der Presse und in den sozialen Medien zu lesen und scheinen auch Thema vieler Diskussionen zu sein.

Leider scheint es dabei sowohl bei der Begriffsbestimmung als auch bei der Deutung der Ergebnisse eines solchen Antikörpertests diverse Schwierigkeiten zu geben, weil die Materie doch recht komplex ist und ein gewisses Grundverständnis des menschlichen Immunsystems voraussetzt.

Grundsätzlich ist es leider so, dass viele Antikörpertests nur eine sehr begrenzte Aussage über den Immunschutz im Falle einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus liefern können, weil der Antikörper-Titer als solcher darüber keine Auskunft zulässt. Trotzdem haben die Tests durchaus eine gewisse Aussagekraft, wie Sie weiter unten sehen werden.

Ich möchte Ihnen in diesem Artikel kurz erklären, welche Tests es gibt, was sie überhaupt messen und welche Aussagekraft die Ergebnisse haben.

Wie funktioniert das Immunsystem?

Um zu verstehen, was ein Antikörpertest eigentlich misst, ist ein grundsätzliches Verständnis unseres Immunsystems notwendig. Deswegen möchte ich Ihnen in den folgenden Absätzen einmal kurz (und stark vereinfacht) erklären, wie die Reaktion unseres Immunsystems auf einen eindringenden Erreger aussieht und was dabei überhaupt passiert.

Das angeborene und das erworbene Immunsystem

Zunächst einmal besteht unser Immunsystem aus zwei Komponenten, nämlich dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem.

Das angeborene Immunsystem ist (wie der Name schon sagt) von Geburt an vorhanden und die erste Verteidigungslinie gegen Angriffe. Wenn ein krankmachender Erreger (ein sogenanntes Pathogen) in den Organismus eindringt, erkennt das angeborene Immunsystem den Fremdkörper anhand seiner Oberflächenmerkmale und versucht, das Pathogen (mithilfe von Fresszellen wie beispielsweise Makrophagen) unschädlich zu machen. Bei einer geringen Pathogen-Last kann das schon ausreichen, um das Pathogen zu vernichten, ansonsten versucht das angeborene Immunsystem den Krankheitserreger zu bremsen und alarmiert das erworbene Immunsystem.

Das erworbene Immunsystem bildet sich ab dem Kindesalter aus und kann spezifisch auf Eindringlinge eingehen und Antikörper bilden. Beim ersten Eindringen eines bestimmten Pathogens in den Organismus dauert es mehrere Tage, bis das Immunsystem spezifische Antikörper gegen dieses bildet. Deswegen kann sich das erworbene Immunsystem Angreifer merken und bei erneutem Kontakt mit einem bereits bekannten Erreger deutlich schneller reagieren.

Wichtige Immunzellen der angeborenen Abwehr sind die Makrophagen und die dendritischen Zellen, bei der erworbenen Abwehr sind es die T- und die B-Zellen. Gemeinsam beschützen sie uns vor Krankheitserregern wie Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten sowie vor Giftstoffen. Im Kontext dieses Artikels möchte ich vor allem auf die Reaktion des erworbenen Immunsystems eingehen, weil dieser Teil für das SARS-CoV-2-Virus ungleich wichtiger ist.

Anmerkung: Wenn Sie mehr über das Zusammenspiel von angeborenem und erworbenem Immunsystem wissen möchten, kann ich Ihnen diesen Artikel von Prof. Dr. Diana Dudziak von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie empfehlen, in dem die Zusammenhänge genauer erklärt werden.

Die Reaktionen des erworbenen Immunsystems

Wenn ein Pathogen die Schranken des angeborenen Immunsystems überwindet, dann bildet unser Immunsystem sogenannte Antikörper (das nennt sich humorale Immunantwort). Das sind Immunglobuline, die mehr oder weniger spezifisch auf einen bestimmten Erreger reagieren und die zu verschiedenen Zeitpunkten gebildet werden.

In Bezug auf SARS-CoV-2 sind dabei hauptsächlich drei Antikörper von Bedeutung, die als Immunglobulin A, M und G (oder kurz IgA, IgM und IgG) bezeichnet werden. IgA und IgM sind frühe Antikörper, sie bilden sich einige Tage nach Ausbruch der Symptome und sind (im Vergleich zu IgG-Antikörpern) weniger spezifisch auf den Krankheitserreger zugeschnitten (sie gleichen die fehlende Passgenauigkeit durch eine höhere Anzahl von Bindungsarmen aus, man bezeichnet das als höhere „Avidität“ bzw. „Klebrigkeit“, dazu weiter unten mehr). Sehr viel genauer auf den Erreger zugeschnitten sind die rund eine Woche später gebildeten IgG-Antikörper (mehr darüber finden Sie auch im Artikel Das sollten Sie unbedingt über Impfungen und Immunität wissen hier im Blog).

Die oben genannten Antikörper werden von sogenannten B-Zellen gebildet, die ihrerseits durch sogenannte T-Helferzellen aktiviert werden. Dieser Vorgang dauert beim ersten Auftreten eines noch unbekannten Erregers einige Tage, bei einem dem Organismus bereits bekannten Erreger beginnt die Produktion der Antikörper ziemlich direkt nach der Infektion (deswegen ist die Covid-19-Impfung so wichtig, denn sie garantiert die sofortige Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus). Dieser Teil der Immunantwort wird als zellulare Immunantwort bezeichnet.

Unterschiedliche Antikörper nach Impfung und Infektion

Die Covid-19-Impfung sorgt (zumindest bei den in der EU zugelassenen Impfstoffen) dafür, dass körpereigene Zellen Teile des SARS-CoV-2-Spikeproteins produzieren und das Immunsystem daraufhin Antikörper gegen dieses Spike-Protein Antikörper entwickelt (das gilt übrigens sowohl für die Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson als auch für die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna). Bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus bilden sich hingegen auch Antikörper gegen andere Teile des Virus, die nicht Teil der Impfung sind.

Deswegen finden sich nach einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus sowohl Antikörper gegen das Spike-Protein als auch gegen das Nukleokapsid-Protein, während nach einer Covid-19-Impfung nur Antikörper gegen das Spike-Protein nachweisbar sein sollten.

Um also überhaupt zwischen der Antikörper-Antwort nach einer Infektion und nach einer Impfung unterscheiden zu können, benötigt man zwei Antikörpertests, nämlich gegen das Nukleokapsid- und gegen das Spike-Protein. Sind beide Tests positiv, hat irgendwann in der Vergangenheit eine SARS-CoV-2-Infektion vorgelegen, ist nur der Test gegen das Spike-Protein positiv, handelt es sich um durch die Covid-19-Impfung hervorgerufene Antikörper.

Wie interpretiert man die Resultate eines Antikörpertests?

Ein Antikörpertest misst die Konzentration der oben beschriebenen Antikörper im Blut. Das Ergebnis wird normalerweise in der international gebräuchlichen WHO-Einheit BAU/ml (binding antibody units) ausgedrückt, manchmal findet sich zusätzlich auch noch die Einheit AU/ml (antibody units).

Grundsätzlich lassen sich durch einen sogenannten ELISA-Test (das Kürzel steht für „Enzyme-linked Immunosorbent Assay“, mehr Informationen dazu gibt’s beispielsweise hier bei Wikipedia) alle diese Antikörper nachweisen, allerdings macht der Test auf IgM und IgA in den allermeisten Fällen aufgrund der sehr kurzen Nachweisdauer (siehe oben) kaum Sinn, der Antikörpertest erfolgt deshalb in den meisten Fällen auf IgG-Antikörper.

Zur Interpretation muss man jetzt zunächst einmal wissen, ob gegen das Spike-Protein (S1 oder S2), gegen das Nukleokapsid-Protein (Nc) oder gegen beide Proteine getestet wurde. Ein positiver Test gegen das Spike-Protein sagt zwar aus, dass Antikörper gegen SARS-CoV-2- vorhanden sind, aber nicht, ob diese Antikörper aufgrund einer Infektion oder aufgrund einer Impfung vorhanden sind (siehe oben).

Außerdem sollte man wissen, dass Tests auf IgA- und besonders IgM-Antikörper nicht nur aufgrund der kurzen Nachweisdauer recht unzuverlässig sind, sondern auch aufgrund der schon oben erwähnten Avidität. Diese erhöhte „Klebrigkeit“ sorgt nämlich dafür, dass beim Test auf IgA und IgM vermehrt falsch positive Ergebnisse (um die 12 bis 14 %) auftreten. Ein solcher Test ist deswegen allenfalls in der Frühphase einer Infektion (rund 14 Tage nach Symptombeginn) sinnvoll, weil bis zu diesem Zeitpunkt meist noch keine IgG-Antikörper nachweisbar sind.

Grundsätzlich geht man davon aus, dass ab einem Antikörper-Titer (IgG-Antikörper) von mehr als 7,1 BAU/ml eine zurückliegende Infektion oder eine erfolgte Impfung vorliegt. Der Wert nimmt in den ersten drei Wochen nach einer Infektion bzw. einer vollständigen Impfung ständig zu und danach kontinuierlich ab.

Neutralisierende Antikörper und der Neutralisationstest

Im Allgemeinen geht man davon aus, dass bei einem hohen Antikörper-Titer auch tatsächlich ein Immunschutz vorliegt. Denn leider hat nur ein Teil dieser Antikörper auch tatsächlich eine schützende Funktion, nämlich die sogenannten neutralisierenden Antikörper. Mit einem Antikörpertest auf IgM-, IgA- oder IgG-Antikörper kann nicht eindeutig geklärt werden, ob eine Schutzwirkung durch neutralisierende Antikörper vorliegt (obwohl hohe Antikörper-Titer meist auch mit einer erhöhten Aktivität neutralisierender Antikörper einhergehen).

An diesem Punkt wird’s dummerweise kompliziert und teuer. Denn die Aktivität der neutralisierenden Antikörper lässt sich am besten mit dem sogenannten Plaque-Reduktions-Neutralisationstest (PRNT) bestimmen. Und dieser Test ist sehr zeit- und kostenaufwändig, weil dazu ein Hochsicherheits-Labor der zweithöchsten Biosicherheits-Stufe 3 notwendig ist.

Solche Labore unterliegen strengen internationalen Richtlinien (die Sie beispielsweise hier bei der luxemburgischen ITM finden) und finden sich im Allgemeinen in Universitätskliniken oder virologischen Forschungseinrichtungen. In Luxemburg gibt es ein Labor dieser Art beim Laboratoire Nationale de la Santé (siehe hier bei science.lu).

Damit ist der Nachweis des tatsächlichen Neutralisations-Vermögens der Antikörper einer bestimmten Person nur in ganz wenigen Ausnahmefällen sinnvoll und möglich, letztlich werden erst zukünftige Studien nachweisen können, welcher Anteil an den geimpften und genesenen Personen eine ausreichende Anzahl von neutralisierenden Antikörpern aufweist.

Mittlerweile gibt es vereinfachte Verfahren der Neutralisationstests, die sogenannten Surrogat-Neutralisationstests, in denen das Blutserum nur mit harmlosen Teilen des SARS-CoV-2-Virus in Verbindung gebracht wird und die deswegen kein Hochsicherheitslabor benötigen. Deren Aussagekraft ist allerdings begrenzt, es lässt sich nicht sicher sagen, wie ausgeprägt die Immunantwort tatsächlich ist.

Die T-Zellen-Antwort

Die Messung von IgA- und IgM-Antikörpern kann leicht fehlerhafte Resultate erbringen, weil diese Antikörper nur kurze Zeit nachweisbar sind. Etwas besser sieht es bei den IgG-Antikörpern aus, die deutlich länger nachweisbar sind. Aber auch hier gibt es dokumentierte Fälle, bei denen diese Antikörper sehr schnell wieder verschwanden oder überhaupt nicht nachweisbar waren.

Selbst ein negativer Antikörpertest sagt aber nicht unbedingt aus, dass kein Immunschutz gegen das SARS-CoV-2-Virus vorhanden ist. Denn hier ist die T-Zellen-Antwort maßgeblich, die (wenn vorhanden) dafür sorgt, dass das Immunsystem beim Kontakt mit dem Erreger sehr schnell Antikörper erzeugen kann (auch wenn zum Testzeitpunkt keine vorhanden waren).

Leider ist die Messung dieser T-Zellen-Antwort problematisch und aufwändig. Dazu benutzt man sogenannte Interferon-Gamma-Release Assays (IGRA). Das Prinzip ist schon etwas älter, wurde aber bisher nur für Tuberkulosetests verwendet. Gemessen wird dabei die Freisetzung (Release) des Botenstoffs Gamma-Interferon durch T-Zellen.

Momentan gibt es laut einem Bericht der Pharmazeutischen Zeitung vom Mai 2021 zwei Testsysteme auf dem Markt (von der deutschen Firma Euroimmun und der niederländisch-deutschen Firma Qiagen), die allerdings ausschließlich für Forschungszwecke eingesetzt werden können.

Auch diese Tests können also derzeit kaum zur Messung der tatsächlichen Immunität einzelner Personen genutzt werden.

Wann sind Antikörpertests denn überhaupt sinnvoll?

Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten zum sinnvollen Einsatz von Antikörpertests. Denn diese Tests können zwar kein exaktes Immunitäts-Niveau bestimmen, aber durch sie lässt sich zumindest feststellen, ob ein Immunschutz besteht (auch wenn die genaue Ausprägung fraglich bleibt). Und das ist besonders in den folgenden Fällen wichtig:

Ältere Menschen

Wir wissen aus vielen Studien, dass sich die Antikörper-Antwort mit zunehmendem Alter langsamer aufbaut und insgesamt reduziert ist. Das nennt sich Immunseneszenz und beschreibt sowohl die Abschwächung der Immunantwort als auch eine Tendenz zur Überproduktion von Entzündungs-Botenstoffen, sogenannten Zytokinen (eine sehr gute Erklärung zur Immunseneszenz finden Sie bei Interesse hier in der Pharmazeutischen Zeitung).

Mittlerweile lässt sich aus einer aktuellen Studie auch nachweisen, dass sich die T-Zellen-Antwort mit zunehmendem Alter signifikant verschlechtert (die Studie bezieht sich auf Patienten über 80 Jahre und den BioNTech/Pfizer-Impfstoff, dürfte aber hinsichtlich ihrer Aussagen auch für andere Impfstoffe gelten). Aus der Studie geht einmal hervor, dass jüngere Leute nach der ersten Impfdosis zu einem deutlich größeren Anteil geschützt sind als Ältere und dass sich das nach der zweiten Impfdosis langsam angleicht (der volle Impfschutz besteht nach dieser Studie bei älteren Menschen rund 4 Wochen nach der zweiten Impfdosis).

Aber vor allem geht aus ihr hervor, dass nahezu 10 Prozent dieser älteren Patienten keine robuste Antikörper- und T-Zellen-Antwort aufbauen und damit nach wie vor ein hohes Risiko einer schweren Erkrankung haben.

Nachdem mittlerweile genügend Impfstoffe zur Verfügung stehen, wäre ein Antikörpertest circa 4 Wochen nach der zweiten Impfdosis sinnvoll um festzustellen, ob sich eine genügend hohe Antikörper-Antwort entwickelt hat. Falls das nicht der Fall ist, könnte eine Auffrischungs-Impfung nötig sein, um die Immunabwehr zu erhöhen.

Immunsupprimierte Personen

Heutzutage gibt es recht viel Menschen mit einer Schwächung des Immunsystems (Immunsuppression), weil der Einsatz von Immunsuppressiva (Substanzen, die die Funktionen des Immunsystems vermindern) für ganz unterschiedliche Patienten ständig zunimmt. Solche Medikamente werden nicht nur bei Organtransplantationen oder bei der Chemotherapie eingesetzt, sondern auch bei vielen Autoimmunerkrankungen. Daneben gibt es Menschen, die genetisch bedingte Störungen des Immunsystems (dazu gehören beispielsweise Diabetes-Patienten) haben oder aufgrund von chronischen Erkrankungen eine Dialyse bekommen.

Ein großer Teil dieser Patienten erhält Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken und die Funktion der T- und B-Zellen und damit auch die Antikörperproduktion reduzieren oder ganz unterdrücken. Diese Patienten haben bekanntermaßen ein großes Risiko für Infektionskrankheiten und sprechen auch schlechter auf Impfstoffe an.

Dazu gibt es eine aktuelle Studie aus Frankreich, bei der es um die Gabe einer dritten Impfstoffdose für Organtransplantierte geht (bei Organtransplantationen wird häufig eine Kombination aus Immunsuppressiva gegeben, die in ähnlicher Form auch Menschen mit Autoimmunerkrankungen oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen bekommen). Keiner der Patienten hatte vor den Impfungen Antikörper, also hatte also eine Infektion durchgemacht. Gemessen wurden die Antikörper-Titer nach den verschiedenen Impfdosen.

Die ersten beiden Impf-Dosen wurden im Abstand von einem Monat gegeben, die dritte Dosis folgte rund zwei Monate nach der zweiten. Nach der ersten Impfung hatten nur vier Prozent der Patienten überhaupt Antikörper gebildet, nach der zweiten Dosis waren es immer noch nicht mehr als 40 Prozent (anders ausgedrückt hatte mehr als die Hälfte dieser Patienten wahrscheinlich keinen ausreichenden Schutz aufgebaut).

Durch die dritte Impfdosis wurde dann nach zwei Monaten noch ein starker Booster-Effekt erzielt, danach konnten bei immerhin 68 Prozent der Patienten Antikörper nachgewiesen werden (schwerwiegende Nebenwirkungen traten dabei übrigens nicht auf).

Das doch sehr magere Resultat nach vollständiger Impfung legt nahe, dass ein Antikörpertest nach der zweiten Impfdosis bei immuninkompetenten Patienten sehr sinnvoll ist, um den Aufbau eines Immunschutzes nachweisen zu können. Und die Ergebnisse der Studie legen ebenfalls nahe, dass vermutlich deutlich mehr als die Hälfte der immunsupprimierten Impfempfänger eine Booster-Impfung benötigen werden.

Anmerkung: Eine ähnlich geartete Studie aus den USA kommt übrigens zu ähnlichen Ergebnissen.

Forschung

Für Forschungsprogramme zu Covid-19 sind Antikörpertests und Neutralisationstests unverzichtbar. Sobald genügend Laborkapazitäten zur Verfügung stehen, ist eine breitflächige Testung (idealerweise ähnlich dem luxemburgischen Large-Scale-Testing bei PCR-Tests) mehr als sinnvoll.

Denn nur mit entsprechenden Studien können Erkenntnisse gewonnen werden, aufgrund derer vielleicht in Zukunft mit denselben oder neuen Testverfahren tatsächlich die Qualität des bestehenden Immunschutzes festgestellt werden kann.

Individuelle Personen

Für individuelle Personen, die nicht zu einer der oben genannten Gruppen gehören, mag ein Antikörpertest interessant sein, man sollte mit den Ergebnissen nur etwas vorsichtig umgehen. Denn ein hoher Antikörper-Titer bedeutet nicht, dass man besonders gut geschützt wäre. Er sagt nur aus, dass man grundsätzlich über einen Immunschutz verfügt, über die Qualität dieses Schutzes lässt sich auf Basis der Test-Ergebnisse letztlich nur spekulieren.

Ein Antikörpertest darf keinesfalls dazu führen, dass aus einem hohen Antikörper-Titer auf einen ebenso hohen Immunschutz gegenüber einer eventuellen SARS-CoV-2-Infektion geschlossen wird. Denn das würde unter Umständen zu einem zu leichtsinnigen Verhalten führen und wäre damit sowohl für den Betroffenen als auch für sein Umfeld nicht ganz ungefährlich.

Ganz grundsätzlich gilt, dass der Antikörper-Titer für Interessierte durchaus informativ sein kann. Aber er sollte keine Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag und die Planung weiterer Impfungen haben.

Fazit

Ein individueller Antikörpertest ist sinnvoll, wenn der Nachweis eines bestehenden Immunschutzes gegen SARS-CoV-2 benötigt wird. Ab einem Alter von +/- 70 Jahren oder im Fall einer bestehenden Immunsuppression ist der Test empfehlenswert, falls man sich nicht von vornherein für eine Booster-Impfung entscheiden möchte.

Zur Feststellung der Qualität des bestehenden Immunschutzes ist der Antikörpertest hingegen derzeit kaum geeignet. Das liegt zum einen daran, dass es keinen Cut-Off-Wert gibt, ab dem eine Immunität besteht. Und zum anderen eben daran, dass der klassische IgG-Antikörpertest eben nur wenig über das Neutralisationsvermögen der Antikörper und die zellulare Immunantwort aussagt.

Weiterführende Tests, die tatsächlich Aufschluss über die Qualität des Immunschutzes liefern könnten, sind für den normalen Patienten kaum verfügbar. Neutralisationstest sind sehr teuer und zeitaufwändig und können zu allem Überfluss nur in einem der nur sehr begrenzt zur Verfügung stehen Hochsicherheitslabore durchgeführt werden (das könnte sich in absehbarer Zukunft ändern, wenn ausgereifte Surrogat-Neutralisationstests zur Verfügung stehen).

Und die Interferon-Gamma-Release Assays zur Bestimmung der T-Zellen-Antwort sind derzeit nur für Forschungszwecke in einigen wenigen Laboren verfügbar und dem individuellen Patienten kaum zugänglich.

Da wir aber durchaus wissen, dass die heute zugelassenen Impfstoffe eine Immunantwort auslösen, die einen sehr effektiven Schutz gegen schwere Verläufe bieten, ist das Wissen um die Qualität des eigenen Immunschutzes vielleicht auch gar nicht so wichtig. Denn aus diesen Studien wissen wir zumindest, dass die vorhandenen Impfstoffe sehr gut funktionieren und dass sich Menschen unter +/- 70 Jahren und mit vorhandener Immunkompetenz deshalb keine allzu großen Sorgen um ein eventuelles Versagen der Impfung machen müssen.

In eigener Sache: Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, dann können Sie mir das Schreiben und Recherchieren gerne mit einem Kaffee oder einer kleinen Spende versüßen. Eine Möglichkeit dazu finden Sie auf der Seite Buy me a coffee.

Wie denken Sie darüber? Haben Sie Anmerkungen oder andere Ideen zu diesem Thema? Oder sehen Sie es ganz anders? Schreiben Sie es mir in den Kommentaren.

Claus Nehring

Ich bin freiberuflicher Autor, Journalist und Texter (aka "Schreiberling") aus Luxemburg. Als Informatiker und Statistiker habe ich jahrelange Erfahrung in der Visualisierung und Modellierung großer Datenmengen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit Infektionskrankheiten und publiziere Artikel zu diesem Thema, aus verschiedenen anderen Wissenschafts-Bereichen und aus dem Bereich Internet & Gesellschaft,

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