Wie man die „Drosten-PCR“ zu SARS-CoV-2 ganz einfach NICHT widerlegt
Dieser Artikel stammt von „Bissiges Mäuschen“ und ist mit ihrer freundlichen Genehmigung hier im Blog veröffentlicht worden. Sie können (und sollten) ihr auf Twitter unter https://twitter.com/BMauschen folgen. Der Artikel wurde auch auf publikum.net veröffentlicht.
Okay, im Moment wird total gerne dieses Ding: http://cormandrostenreview.com/report/ in sozialen Medien gepostet, um zu belegen, dass die „Drosten-PCR“ (Corman et al., 2020) zum Nachweis von SARS-CoV-2, dem COVID-19 verursachenden Virus, nichts taugt:
Sollen wir da mal drauf schauen? Seufz… Na gut. Wenn es sein muss… Also erstmal: Was ist das überhaupt? Es ist eine Webseite, die nur dafür eingerichtet wurde, einen „Report“ zu präsentieren, den ein paar Leute bei Eurosurveillance (Der Zeitschrift, in der die PCR publiziert wurde) eingereicht haben, um nachweisen zu wollen, dass die PCR aus der Corman et al.-Arbeit nichts tauge und in der sie fordern, dass diese Arbeit zurückgezogen werden solle.
Anscheinend haben sie das Werk bei Eurosurveillance mehr oder weniger gleichzeitig mit der Einrichtung der Webseite eingereicht und belegen das mit dem „submission report“ (Auf dem groß „confidential“ steht). Wer sich mit wissenschaftlicher Publikationskultur auskennt, bei dem gehen jetzt schon mehrere Red Flags hoch.
Publikationswege
Normalerweise gibt es zwei seriöse Publikationswege für wissenschaftliche Originalarbeiten:
- Einreichen bei einem Journal, dann abwarten des Peer Review, ggf. Überarbeiten und/oder nochmal einreichen, bis das Werk akzeptiert und publiziert wird
- Einstellen als vorläufige Daten auf einem Preprint-Server, so dass andere es vor einer eventuellen klassischen Veröffentlichung schon zur Verfügung haben und ggf. nutzen und bewerten können.
Alternativ zu einer echten eigenständigen Veröffentlichung kann man auch Kommentare schreiben (entspricht etwa einem Leserbrief) und hier auf Fehler hinweisen und im schlimmsten Fall auch ein Zurückziehen der Veröffentlichung fordern. Auf einen solchen Kommentar können die Originalautoren meist antworten und dann werden Kommentar und Antwort ggf. zusammen veröffentlicht, das Originalpaper korrigiert oder zurückgezogen.
Tatsächlich gibt es zu dem Corman-Paper auch zwei kleine Korrekturen, was man hier einsehen kann: http://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31992387/.
Der Borger et al. „Review report“ ist also schonmal sehr komisch. Hier wird die normale Publikationskultur umgangen und ein Werk auf ungewöhnlichem Weg publik gemacht und dann in die Sozialen Medien gestreut. Das wirkt wenig Vertrauen erweckend.
Warum wendet sich dieses Werk nicht über normale Kanäle an die wissenschaftliche Gemeinschaft? Sollen hier normale Kontrollinstanzen umgangen werden, um direkt Laien zu beeinflussen? Der Verdacht drängt sich auf, beweisen kann man das natürlich nicht.
Schauen wir mal auf das Corman-Paper, dann fällt hier auch auf, dass das sehr wohl Resonanz in der wissenschaftlichen Gemeinschaft hat. Google Scholar weist hier über 2.500 Zitierungen auf (http://scholar.google.de/scholar?hl=de&…), darunter auch Arbeiten, die verschiedene PCR-Nachweise vergleichen. Der Borger et al. Report müsste also schon ziemlich schwer zu entdeckende Fehler belegen, sonst wäre kaum zu erklären, dass das Corman-Paper nicht schon längst zerrissen worden ist.
Inhalt
Okay, schauen wir mal auf den Inhalt! Als allererstes: Das Werk hat keine experimentellen Daten. Alles sind rein theoretische Überlegungen. Das ist schonmal sehr, sehr schwach, um ein etabliertes, von zahlreichen Laboren angewandtes Verfahren zu kritisieren. Es werden aber 10 große Kritikpunkte angeführt:
Punkt 1 und 2
beziehen sich auf Primerdesign und eingesetzte Konzentration, die von einem „Standard Operational Protocol“ abweichen und daher ungeeignet sein sollen. Wer schon einmal eine PCR etabliert hat, weiß, dass Primerdesign und PCR-Bedingungen immer empirisch ausgetestet und optimiert werden müssen. Sich hier auf „Standardbedingungen“ zu berufen, ist also nicht stichhaltig und geht an der Laborrealität weit vorbei!
Punkt 3
bemängelt, dass die PCR kein komplettes Virus von Virusfragmenten unterscheiden könne. Das stimmt zwar rein technisch, ist aber diagnostisch egal, wenn die PCR ja gerade dazu da ist, das Vorhandensein viraler RNA nachzuweisen! Kein einzelnes diagnostisches Verfahren bildet den gesamten Krankheitsverlauf ab. Mit diesem Punkt könnte man auch auf einen Freispruch plädieren, wenn vom Mörder nur Blutspuren, Fingerabdrücke und Videoaufnahmen vorliegen, aber niemand den ganzen Mörder am Tatort nachgewiesen hat!
Punkt 4
ist wieder ein technisches Detail, das eine Abweichung vom „Standardprotokoll“ beim Primerdesign ankreidet. Hier wird bemängelt, dass die Annealingtemperaturen der Primer zu weit auseinanderlägen. Das ist sicher nicht optimal, aber bei der Wahl spezifischer Primer ist es eben nicht immer möglich, gleichzeitig optimale Eigenschaften für die PCR und optimale Spezifität zu erreichen, das muss wieder empirisch ausprobiert werden.
Punkt 5
bemängelt, dass der Test keinen CT-Wert vorgibt, ab dem der Test als positiv gewertet wird. Das klingt stichhaltig, ist aber leider auch Blödsinn. Der CT-Wert ist der Zyklus, an dem das Signal einer qPCR zum ersten Mal eine bestimmte Schwelle überschreitet. Das hängt von der Anfangskonzentration der vervielfältigten Nukleinsäure ab und von der Lage dieser Schwelle. Bei verschiedenen Extraktionsprotokollen, PCR-Cyclern usw. kann beides variieren (Die Schwelle muss immer hoch genug gelegt werden, um von zufälligen Schwankungen der Basislinie sicher nicht überschritten zu werden, was wieder empirisch optimiert wird). Außerdem ist der CT-Wert bei der Corman-PCR tatsächlich gar nicht so entscheidend, da hier die vervielfältigte DNA nicht – wie in der Anfangszeit der qPCR üblich – einfach über die DNA-Menge (via interkalierender Farbstoffe) nachgewiesen wird, sondern (wie heute in diagnostischer qPCR üblich) mit einer spezifischen Sonde. Unspezifische PCR-Produkte, die bei hoher Zykluszahl entstehen können, sollten also auch kein (gutes) Signal ergeben. Positiv ist also eine PCR, die einen für das System realistischen CT-Wert und die erwartete Kurvenform ergibt – und das für zwei unabhängige Gene des Virus!
Punkt 6
„The PCR products have not been validated at the molecular level.“ ist eigentlich dank der spezifischen Primer, dem Nachweis per Sonde und dem Beleg des nicht-Nachweises von verwandten Viren mit dem gleichen System auch Unsinn.
Punkt 7
bemängelt die Kontrollen. Kontrollen sind im Corman-Paper angegeben.
Punkt 8
wiederholt, dass das Testprotokoll zu vage sei und es keine SOP (Standard Operating Procedure) gäbe. Aber eine SOP ist im allgemeinen laborspezifisch und muss das auch sein, da liegt die Pflicht also vor allem beim anwendenden Labor (siehe oben).
Punkt 9
behauptet ohne irgendeinen Beleg, dass wohl kein echtes Peer-Review stattgefunden hätte, was eigentlich Verleumdung ist, bei einem so vielfach reproduzierten Verfahren aber dann fast auch egal, denn inzwischen haben ja tausende Wissenschaftler „darauf geschaut“!
Punkt 10
unterstellt „conflicts of interest“. Da wurde ein möglicher tatsächlich nachgetragen, das kann bei einer schnellen Veröffentlichung passieren (sollte natürlich nicht!), aber inwiefern Interessenskonflikte die Wissenschaft im Paper invalidieren, wird nicht wirklich begründet. Auch das wirkt eher wie ein Rufmordversuch.
Zusammenfassung
Fassen wir zusammen, dann gibt es eigentlich nur zwei wirklich valide Kritikpunkte:
- Primer und Protokoll sind nicht perfekt (sind sie nie).
- Das Paper wurde sehr schnell begutachtet und die Autoren haben dazu einen Weg gewählt, wo sie Kontakte hatten. Das ist aber auch nicht unüblich und Fehlverhalten müsste immer noch nachgewiesen werden!
So… Ich könnte noch viel weiter ins Detail gehen, aber ganz ehrlich: Da haben wir doch alle besseres zu tun, oder? Sollte diese Einreichung publiziert werden, können wir vielleicht nochmal drüber reden. Bis dahin könnt ihr den Artikel gerne unter die Spamposts zurückspammen!
Mäuschen out
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