Über die Wirkweise von mRNA
Zuletzt aktualisiert am 11. Juli 2021 von Claus Nehring
Dieser Artikel ist die Wiedergabe eines Twitter-Threads von „DailyKaffee“ vom 13. November 2020 und ist mit ihrer freundlichen Genehmigung hier im Blog veröffentlicht worden. Sie können (und sollten) ihr auf Twitter unter https://twitter.com/DailyKaffee folgen. Hier geht’s zum Original-Thread mit allen Kommentaren.
Okay , Kinners. Ich habe euch einen Thread zu mRNA Impfstoffen versprochen, weil ich selbst auch ein paar Dinge wissen wollte. Na, denn:
In den 90ern wurde zwar mit dem Einbringen von funktionierender mRNA in Zellen experimentiert (und teils auch erfolgreich), aber mRNA war instabil und es gab auch keine guten Methoden, um mRNA in die Zellen zu bekommen. Dabei hat mRNA einige Vorteile gegenüber Proteinen als Impfstoffe:
1. mRNAs sind Baupläne für Proteine statt Proteine selbst und RNA kann inzwischen auch synthetisch hergestellt werden. Man hat sozusagen Kontrolle darüber, welche Proteinbaupläne man genau in eine Zelle einschleust. Hier gibt es einen schönen Thread von Florian Aigner dazu, den ihr euch gerne ansehen könnt:
Die Kurzfassung ist: Die mRNA nutzt die Proteinbau-Maschinerie der Zellen, in die man sie einschleust, um einzelne Proteine von Viren herzustellen, gegen die der Körper dann Antikörper bildet. Bei der „normalen“ Impfung werden stattdessen nicht-ansteckende (Lebendimpfung), getötete (Totimpfungen) Viren oder Virenteile (Komponenten-Impfstoffe) in den Körper eingebracht. Eine schlechte oder schwierige und vor allem teure Proteinaufreinigung entfällt. Insgesamt ist mRNA günstiger und sauberer herzustellen als andere Impfstoffe (wobei unsauber in der Medizin verdammt sauber ist).
Durch die Kontrolle über die Baupläne und der genauen Virenteile ist auch die Gefahr, dass der Körper mit einer Entzündung – wie gering auch immer – auf einen Impfstoff reagiert, kleiner. Dies hängt auch mit hiermit zusammen:
2. mRNA lässt sich modifizieren. Damit meine ich nicht nur, dass man Einfluss auf die genaue Sequenz nehmen kann (den Text des Bauplans), die für ein Protein codiert, sondern auch chemische Modifikationen an den in ihr verbauten Ribonukleinsäuren durchführen kann (die Randnotizen). Dadurch lässt sich beeinflussen, wie stark die Immunantwort ist, die der Impfstoff auslöst (was sich wiederum mit der Wirkung und Verträglichkeit des Impfstoffs auswirkt) und auch wie lange die RNA haltbar ist – denn:
3. RNA wird vom Organismus zersetzt. Das heißt, die mRNA wird in den Körper eingebracht und sorgt nur so lange für die Entstehung von Proteinen, bis sie zersetzt wird. Dann ist sie weg. Es wird (und das ist wichtig):
4. keine mRNA in das Genom des Patienten eingebracht. mRNA ist nämlich normalerweise eine KOPIE der im Zellkern befindlichen DNA. Die DNA ist die Sammlung der Masterbaupläne des Körpers – und gebaut wird nur, wenn eine Bauplankopie in Form von mRNA an die Baumaschinen geschickt wird, die im Zelllumen sind. Kopien werden aber normalerweise nicht wieder zurück ins Hauptquartier „Zellkern“ gebracht und in die Masterbauplan-Sammlung aufgenommen – denn EIGENTLICH ist es gar nicht vorgesehen, dass fremde Baupläne benutzt werden und so geht der Körper (vereinfacht) davon aus, dass alle Kopien, die im Zelllumen herumdümpeln sowieso schon in der Master-Sammlung vorhanden sind.
Nur Viren und mRNA-Impfstoffe sind so dreist und schleusen heimlich Baupläne in das Zelllumen ein. Im Zellkern weiß man nichts davon und wird es auch nie erfahren (ätsch). Der Bauplan wird wie alle Pläne irgendwann vernichtet. Was bleibt, sind die Proteine und die Antikörper die dagegen gebildet wurden. Auch die Proteine werden zersetzt. Was dann bleibt sind vor allem Zellen, die zukünftig diese Proteine wiedererkennen würden und sofort zu deren Vernichtung aufrufen – zum Beispiel wenn ein Virus, das die gleichen Proteine trägt, im Organismus auftaucht.
Bei einem der mRNA Impfstoffe gegen SARS-CoV2 wissen wir bereits, dass dieser einen Bauplan für ein Protein enthält, das in den „Knubbeln“ enthalten ist, die unser @TheRealSARSCov2 so liebt #TeamKnubbel. Diese sind außen auf dem Virus und daher für die Antikörper gut zu erkennen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass das Virus in die Zelle kommt.
Ach – wo wir dabei sind: Wie kommt eigentlich so eine mRNA aus einem Impfstoff in die Zelle? Eigentlich werden mRNAs ja nicht außerhalb von Zellen gebildet, sondern innen drin. Dazu kommt, dass es außerhalb von Zellen Proteine gibt, die die RNA sehr schnell und effektiv zersetzen.
Wie nervig das ist (weil wir diese „RNasen“ z.B. auch an den Fingern haben), kann euch jeder Wissenschaftler sagen, der im Labor mit RNA arbeitet und höllisch aufpassen muss, dass ja keine „RNasen“ in die Probe kommen.
Interessanterweise ist das auch das größte Problem für RNA-Viren wie SARS-CoV2 – auch sie müssen die RNA in ihnen schnell und sicher in die Zelle bekommen und sie vor Angriffen schützen. Im Grunde ist die ganze Hülle eines Virus nur für diese beiden Zwecke und die Verteilung bestimmt. Es gibt kostspielige Methoden, RNA außerhalb des Körpers in Zellen einzubringen und die Zellen dann in den Organismus einzuschleusen.
Wissenschaftler haben inzwischen aber auch eine ganze Reihe an Stoffen entwickelt, die nicht toxisch sind, aber die mRNA schützen und sie schnell nach Zuführung zum Organismus in die Zellen einbringen. Außerdem hat man erforscht, wie eine mRNA aussehen muss, damit sie für die Zelle gut lesbar und lang genug stabil zu sein, um effektiv abgelesen zu werden. Eine genaue Beschreibung dieser Methoden würde den Rahmen dieses Threads sprengen. Die Hoffnung die derzeit in den mRNA-Impfstoffen liegt ist, dass bereits gezeigt werden konnte, dass das Immunsystem auf mRNA-Impfstoffe hin oft robustere Antworten auslöst – das konnte für Menschen aber nicht immer bestätigt werden.
Da wir wissen, dass SARS-Cov2-Antikörper in vielen Patienten schnell wieder verschwinden, kann man vielleicht – und das ist Spekulation von mir – hoffen, dass man mit einer gut konzipierten mRNA einen länger anhaltenden Schutz generieren kann. Zudem hat man bei einigen mRNAs in Tierversuchen auch festgestellt, dass geringere Impfdosen (manchmal auch nur eine Gabe) schon für eine Immunisierung ausreichen. Wie sich die Impfstoffe der jetzt daran arbeitenden Firmen nun genau zusammensetzen und welche Bedenken man dabei haben und nicht haben muss, übersteigt mein Wissen.
Anmerkung der Redaktion: dieser Artikel stammt vom November 2020, noch vor Zulassung der ersten Impfungen. Mittlerweile sind die natürlich sowohl die Zusammensetzung der zugelassenen Impfstoffe als auch deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt (die Zusammensetzung von Comirnaty finden sich beispielsweise hier im letzten Artikel von DayliKaffee).
Mitnehmen kann man sich aber in diesem Beitrag vor allem eins: mRNA Impfstoffe werden nicht erst seit vorgestern erforscht und sind auch nicht seit gestern erst in klinischen Studien. Die Entwicklung begann eigentlich in den 90ern, kam dann etwas zum Erliegen und dümpelte vor sich hin, bis neue Entwicklungen in der mRNA-Herstellung diese Impfstoffe Mitte der 2000er langsam wieder interessanter machten.
Man kann auch mitnehmen, dass sich die Wirkung der Impfstoffe außerhalb des Zellkerns entfaltet – und damit nicht dort, wo unser Erbgut gelagert ist. Es wird nichts in das Erbgut eingeschleust, stattdessen wird die mRNA im Zelllumen sogar nach einiger Zeit zerstört. Von „genome editing“ kann man hier absolut nicht sprechen.
Die meisten meiner Infos stammen übrigens aus diesem Nature Artikel:
Den Original-Thread mit allen Kommentaren gibt’s übrigens hier :
Durch das Abschicken des Kommentars werden die eingegebenen Daten in der Datenbank dieser Website gespeichert. Ausserdem speichern wir aus Sicherheitsgründen Ihre IP-Adresse für einen Zeitraum von 60 Tagen. Weitere Informationen zur Datenverarbeitung finden Sie in der Datenschutz-Erklärung.