In der Krise ist Kommunikation alles
Ich möchte diesen Artikel mit einer Bemerkung in eigener Sache beginnen. Ich stehe fest hinter unserer luxemburgischen Regierung und ich finde nach wie vor, dass sie auch und gerade in dieser Krise eine vorbildliche Arbeit geleistet hat. Und ich bin überzeugt davon, dass wir mit Xavier Bettel und Paulette Lenert die am besten dafür geeigneten Personen auf den Posten haben, auf die es jetzt wirklich ankommt.
Dieser Artikel ist also ausdrücklich keine Kritik an der Arbeit der luxemburgischen Regierung in dieser Krise. Aber er ist eine Kritik an der derzeitigen Informationspolitik der Regierung. Die Gründe für diese Kritik möchte ich Ihnen in den nächsten Absätzen erläutern.
Ich bin eigentlich kein großer Fan der Politik von Angela Merkel.
In der jetzigen Krise hat sich das allerdings geändert. Angela Merkel neigt sicher nicht zum Dramatisieren und hat das in ihren vielen Regierungserklärungen bisher auch nie getan. Sie hat ihre Politik nie bis ins Detail erklärt, und sollte sie sich je vor etwas gefürchtet haben, hat sie es zumindest nie gesagt oder gezeigt. Aber am gestrigen Donnerstag war auf einmal alles anders. Das mag daran liegen, dass Angela Merkel als Naturwissenschaftlerin die jetzigen Vorgänge wahrscheinlich besser als andere Politiker versteht und dass sie als Bewohnerin der ehemaligen DDR die Einschränkung von Grundrechten selbst erlebt hat.
Jedenfalls redete Angela Merkel davon, dass die Pandemie eine „demokratische Zumutung“ sei, die „unsere existenziellen Rechte und Bedürfnisse“ einschränke. Sie machte sehr deutlich, dass ihre Entscheidung über die Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte die schwerste in ihrer bisherigen Amtszeit war (die an schweren Entscheidungen ja nicht so arm war).
Angela Merkel warnte ein weiteres Mal davor, das Virus auf die leichte Schulter zu nehmen und rief dazu auf, jetzt bloß keinen Rückschlag zu riskieren. „Niemand hört das gern: Wir leben nicht in der Endphase dieser Pandemie, sondern am Anfang“, betonte die Kanzlerin. „Wir werden noch lange damit leben müssen.“. Und sie kritisierte einzelne Bundesländer deutlich, als sie die Lockerungs-Maßnahmen als „in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen: zu forsch“ bezeichnete.
Aber vor allem sagte Angela Merkel, die derzeitige Situation sei „nur akzeptabel und erträglich, wenn die Gründe für die Einschränkungen transparent und nachvollziehbar sind, wenn Kritik und Widerspruch nicht nur erlaubt, sondern eingefordert und angehört werden“.
Und dieser eine Satz aus der Rede der deutschen Bundeskanzlerin hat mich an die derzeitige Informationspolitik der luxemburgischen Regierung denken und mich diesen Artikel schreiben lassen. Nicht als Kritik, sondern als Anstoß zu besserer Kommunikation.
In bin eigentlich ein großer Fan der luxemburgischen DP, in der ich bereits seit 2012 Mitglied bin.
Ich finde, dass unsere Regierung seit dem Beginn der Pandemie in Luxemburg eine fantastische Arbeit bei der Eindämmung der Pandemie leistet. Ich möchte diese Maßnahmen hier noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen, weil man sie nur allzu schnell vergisst:
- Am 13. März 2020 gab es in Luxemburg den ersten Todesfall aufgrund einer Covid-19-Erkrankung. Am gleichen Tag wurden die Besuche in Kliniken und Altersheimen eingeschränkt.
- Am 14. März 2020 wurde die Schließung der Schulen und der Umbau der „maisons médicales“ zu Corona-Zentren beschlossen
- Am 15. März 2020 wurden alle Cafés, Restaurants und nicht lebenswichtigen Geschäfte geschlossen.
- Am 18. März 2020 wurde der „état de crise“ beschlossen, der der Regierung die Möglichkeit zur schnellen Umsetzung der Maßnahmen durch Krisen-Gesetzen ermöglichte.
Diese Liste ließe sich noch lange fortführen. Beispielsweise wurde gleichzeitig mit dem Ausbau der Labor- und Klinikkapazitäten begonnen, Unterbringungsmöglichkeiten in Hotels für Grenzgänger in systemrelevanten Bereichen wurden beschafft und vieles mehr.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass das Vorgehen der luxemburgischen Regierung exemplarisch war. Kaum ein Land weltweit hat ähnlich schnell mit Maßnahmen reagiert, vielleicht mit Ausnahme einiger weniger asiatischer Länder mit früheren Erfahrungen aus anderen Pandemien.
In den Anfangs-Tagen der Pandemie haben die luxemburgischen Politiker sehr viele Pressekonferenzen abgehalten, um der Bevölkerung immer wieder die Wichtigkeit der Maßnahmen vor Augen zu führen und um immer und immer wieder zu erläutern, warum das alles denn nun nötig sei.
Aber die jetzige Informationspolitik der luxemburgischen Regierung ist leider um Welten von der umfassenden Kommunikation der Anfangsphase dieser Krise entfernt. Schon vor dem Oster-Wochenende war von unseren Politikern nicht mehr allzu viel zu hören, nach der Pressekonferenz zu den Lockerungsmaßnahmen am 15. April (richtig, das war vor zehn Tagen) hat sich das nicht erheblich verbessert.
- Wo in dieser Pressekonferenz noch darauf hingewiesen wurde, dass wir der „Weltmeister im Testen“ seien, wurde die geringe Anzahl der in den letzten Wochen durchgeführten Tests bis heute weder erklärt noch kommentiert.
- Wo in dieser Pressekonferenz noch mit den Worten „Die Situation ist noch immer ernst, das Virus ist da und es gibt noch immer keinen Impfstoff. Wir müssen noch lange gegen Corona kämpfen.“ auf die besondere Gefahr der jetzigen Situation hingewiesen wurde, gibt es jetzt, abgesehen von den nackten Zahlen, kaum noch Information zur Einschätzung der Gefährlichkeit der Lage.
- Wo in derselben Pressekonferenz darauf hingewiesen wurde, dass man ein komplettes Bild der Infektionen in der Bevölkerung bekommen müsse, hört man jetzt kaum noch ein Wort über den Fortgang der CON-VINCE-Studie.
- Der Plan zur Öffnung der Schulen ab dem 4. Mai stößt seit rund einer Woche auf eine sehr schnell an Eindringlichkeit und Härte zunehmende Kritik von Schülern, Eltern und Lehrern. Eine Petition zum Thema (n° 1549) wurde bereits von der Abgeordnetenkammer angenommen. Das Bildungsministerium hat bisher nicht auf die immer drängender werdenden Aufrufe reagiert.
- In den sozialen Netzwerken wird die Kritik der Menschen an den Maßnahmen und die Rufe nach einer möglichst umfassenden Lockerung immer lauter. Auf eine Stellungnahme der Politik zu diesen Forderungen und eine Begründung zur Fortsetzung der Maßnahmen anhand der vorliegenden Prognosen warten wir bisher vergeblich.
- Verbände und Gewerkschaften nutzen die Gelegenheit, um ihre eigenen Interessen und ihre eigene Sichtweise möglichst positiv „an den Mann und die Frau“ zu bringen. Die meisten dieser Interessen sind wirtschaftlich getrieben und verlangen nach einer mehr oder weniger kompletten Lockerung der Maßnahmen. Und die Politik schweigt dazu.
- In der Öffentlichkeit taucht immer häufiger die Frage auf, von wem sich die Regierung denn nun eigentlich beraten lässt. Häufig genannt wird in diese Zusammenhang die Beratungsgesellschaft McKinsey. Und die Spekulationen gehen munter weiter und werden von der Regierung ignoriert.
Das Resultat dieser Informations- und Kommunikationspolitik ist mittlerweile leider nur zu deutlich sichtbar. Auf den Straßen, in den Fußgängerzonen und in den Parks kommt immer mehr der Eindruck auf, dass allzu viele Leute die Eindämmungs-Maßnahmen nicht mehr so sehr ernst nehmen.
Und immer mehr Leute diskutieren die Vorschläge und Forderungen der verschiedenen Interessenverbände und stimmen ihnen in immer größerer Anzahl zu, weil die Regierung es versäumt, zu diesen Vorschlägen und Forderungen öffentlich Stellung zu beziehen.
Deswegen möchte ich der luxemburgischen Regierung die Worte der deutschen Kanzlerin ans Herz legen.
Nämlich das die derzeitige Situation nur dann akzeptabel und erträglich ist, wenn die Gründe für die Einschränkungen transparent und nachvollziehbar sind und wenn Kritik und Widerspruch nicht nur erlaubt sind, sondern eingefordert, angehört und diskutiert werden.
Dazu gehört in der Hauptsache eine laufende (und öffentliche) Information der Bevölkerung und eine laufende (und öffentliche) Diskussion mit den verschiedenen Interessengruppen. Und daran fehlt es leider im Moment weitgehend.
Ich weiß, dass die verantwortlichen Politiker im Moment alle Hände voll zu tun haben. Aber ich weiß auch, dass prominente Virologen davor warnen, dass sich die Situation sehr schnell dramatisch verschlechtern könnte.
Und ich weiß, dass sich die Akzeptanz für die Maßnahmen sehr schnell verringern wird, wenn sich die Informationspolitik der Regierung nicht sehr schnell und deutlich verbessert. Nur ein paar Lockerungs-Maßnahmen zu verkünden und dann die Resultate abzuwarten wird jedenfalls nicht ausreichen, um eine Akzeptanz in der Bevölkerung sicherzustellen. Jedenfalls spätestens dann nicht mehr, wenn diese Maßnahmen wegen eines zu starken Anstiegs der Infizierten-Zahlen verschoben werden müssen.
Sogar ein eventuelles Worst-Case-Scenario, das mehrere Monate an Einschränkungen vorsehen könnte, kann und sollte völlig offen diskutiert werden. Wenn so etwas fundiert erklärt wird, dann wird es auch akzeptiert werden. Ein scheibchenweises Nachlegen von immer neuen 4-Wochen-Maßnahmen wird hingegen erheblich schwieriger zu kommunizieren sein. An eine schnelle Rückkehr zur Normalität glauben sowieso nur noch die wenigsten.
Die Menschen wollen verstehen, warum bestimmte Maßnahmen getroffen werden und was die Folgen sind oder sein könnten. Aber sie werden die Wichtigkeit der Maßnahmen nur dann verstehen, wenn die Regierung ihnen die Gründe dafür offen und ehrlich erklärt. Ohne solche Erklärungen lassen sich die Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg kaum durchsetzen, sie werden dann recht schnell ineffektiv und inakzeptabel.
Deswegen muss die Kommunikation mit der Bevölkerung jetzt verbessert werden. Denn morgen könnte es schon zu spät dafür sein.
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