Ein Vorschlag zur europäischen Vergleichbarkeit der Wochen-Inzidenz

Zuletzt aktualisiert am 1. April 2021 von Claus Nehring
In Europa (und weltweit) wird zum Vergleich der Corona-Pandemie zwischen Ländern und Regionen gerne die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner errechnet. Diese Kennzahl ist sicherlich zu Vergleichszwecken geeignet, aber sie nimmt keinerlei Rücksicht auf die Teststrategie der einzelnen Länder. Gerade Länder mit einer hohen Anzahl von durchgeführten Tests (wie Luxemburg) werden dadurch in der Statistik benachteiligt.
Dieser Artikel behandelt eine Möglichkeit, wie sich diese unterschiedlichen Teststrategien möglicherweise in die Statistik einrechnen lassen könnten, um letztlich (zumindest für Europa) zu einer aussagekräftigeren Vergleichszahl zu gelangen.
Für ein sehr einfaches Modell sind dazu lediglich zwei Kennzahlen notwendig, die für jedes europäische Land hinreichend zuverlässig zur Verfügung stehen dürften, nämlich die Anzahl der nachgewiesenen Infektionen und die Anzahl der Todesfälle.
Ich möchte Ihnen diese Idee an einem Beispiel mit den Ländern Belgien, Deutschland, Luxemburg, Spanien, Frankreich und den Niederlanden vorstellen, die entsprechenden Werte lassen sich aber für jedes Land für jeden Kalendertag errechnen.
Die Anzahl der Infektionen in einem Land
Jedes Land meldet täglich die Anzahl der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus. Wir wissen also ziemlich genau, wie viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt infiziert sind.
Auf Basis dieser Meldezahlen wird die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner errechnet, die für jeden Kalendertag vorliegt. Stand heute (20. Dezember 2020) würde diese Kennzahl wie folgt aussehen:
Land | Wochen-Inzidenz |
---|---|
Luxemburg | 446,501315 |
Deutschland | 205,787644 |
Frankreich | 171,129143 |
Belgien | 177,753841 |
Niederlande | 429,650131 |
Spanien | 142,575803 |
Nun gibt diese Kennzahl zwar die Anzahl der nachgewiesenen Infektionen in einem Land an, bezieht allerdings nicht die Schwere der Krankheitsverläufe mit ein. Und erlaubt damit keinerlei Rückschlüsse auf die Situation in den Kliniken und die aus den Erkrankungen entstehenden Todesfälle.
Die Fallsterblichkeit im jeweiligen Land
Als zweite Kennzahl verwende ich die Fallsterblichkeit, hier nach einer Methode berechnet, die als delay-adjusted case fatality ratio bezeichnet wird. Die Kennzahl gibt die Anzahl der Todesfälle an einem bestimmten Kalendertag bezogen auf die Anzahl der Infizierten eines um 14 Tage (man könnte hier auch eine andere Zeitspanne wählen) zurückliegenden Zeitpunkts an.
Damit soll dem Faktor Rechnung getragen werden, dass zwischen einer Infektion und dem darauf zurückzuführenden Todesfall eine gewisse Zeitspanne liegt. Ein Mittelwert von 14 Tagen erscheint mir realistisch. Ich benutze für diese Kennzahl den Begriff „Delayed CFR“.
Stand heute (20. Dezember 2020) würde diese Kennzahl wie folgt aussehen:
Land | Delayed-CFR |
---|---|
Luxemburg | 1,151380 |
Deutschland | 2,190867 |
Frankreich | 2,580694 |
Belgien | 3,133893 |
Niederlande | 1,861186 |
Spanien | 2,904229 |
Unter der Annahme, dass die Infektionssterblichkeit der Erkrankung in allen Ländern so ziemlich gleich sein dürfte, erlaubt diese Kennzahl einen Rückschluss auf die Schwere der Krankheitsverläufe innerhalb eines Landes und damit auch einen Rückschluss auf die Dunkelziffer der unerkannt (weil nicht getesteten) Infizierten.
Berechnung der Kennzahl
Ausgehend von diese Werten und bei einer angenommenen Infektionssterblichkeit von 0,9 % (auf Basis der Studie Assessing the Age Specificity of Infection Fatality Rates for COVID-19, auch hier müsste man sich auf einen Wert einigen, eventuell unter Einbeziehung der Altersstruktur des jeweiligen Landes) lässt sich nun sehr einfach eine Kennzahl berechnen.
7-Tages-Inzidenz / angenommene Infektionssterblichkeit * Delayed-CFR
Diese Kennzahl zum Vergleich zwischen Ländern würde dann wie folgt aussehen:
Land | Country Comparison Index |
---|---|
Luxemburg | 571,214093 |
Deutschland | 500,948176 |
Frankreich | 490,702170 |
Belgien | 618,957242 |
Niederlande | 888,509787 |
Spanien | 460,080869 |
In der Grafik würde sich ein solcher Vergleich dann so darstellen:
Ein solcher Index würde einen Vergleich zwischen Ländern auf Basis einer gewichteten 7-Tages-Inzidenz erlauben und wäre meiner Meinung nach ein geeigneteres Mittel als die klassische 7-Tages-Inzidenz, weil in diesem Index die Testanzahl und die Schwere der Krankheitsverläufe eines Landes mittelbar in der Kennzahl enthalten sind.
Anmerkung: Durch die Einbeziehung der Altersstruktur des jeweiligen Landes verfeinern und der zur Verfügung stehenden Klinikbetten ließe sich das noch einmal verfeinern. Die errechnete Kennzahl kann verfälscht sein, wenn es in einem bestimmten Land zu einer Überlastung des Kliniksystems und damit zu einer Zunahme der Todesfälle durch fehlende Behandlungsmöglichkeiten gekommen ist.
Ich bin für jede Stellungnahme zu diesem Vorschlag dankbar. Sie können mich per Mail an claus@clausnehring.com jederzeit erreichen.
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