Corona

Die Übertragungswege und ihre Folgen

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde bei der Ansteckung hauptsächlich über Tröpfchen- und Kontakt-Übertragung geredet. Aus aktuellen Studien lässt sich aber immer deutlicher ableiten, dass gerade auch die Aerosol-Übertragung offenbar eine erhebliche Rolle im Infektionsgeschehen spielt.

Die momentan umgesetzten Hygiene- und Abstandsregeln basieren auf der Vermeidung von Tröpfchen- und Kontakt-Übertragungen, die Übertragung als Aerosol gerät erst in den letzten Tagen immer mehr ins Blickfeld. Sobald die Aerosol-Übertragung in die Gleichung einfließt, sind allerdings die meistens vorgeschriebenen Abstände von anderthalb oder zwei Meter nicht unbedingt ausreichend.

In diesem Artikel möchte ich die verschiedenen Übertragungswege erklären und auf die sich daraus ergebenden Folgen und Risiken eingehen.

Die Tröpfchen-Übertragung

Bei jedem Ausatmen, Sprechen, Singen, Niesen oder Husten sondern wir Flüssigkeitspartikel aus Speichel, Nasensekret oder Sputum (Absonderungen aus den unteren Atemwegen) ab. Diese Absonderungen enthalten immer auch Mikroorganismen, darunter können auch über die Atemwege übertragbare Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 sein.

Die größeren dieser Tröpfchen haben einen Durchmesser von 5 bis 100 Mikrometern (oder μm, entspricht einem Tausendstel Millimeter). Die kleineren dieser Tröpfchen sinken rasch ab und können bis zu einer Distanz von ungefähr einem Meter übertragen werden. Bei größeren Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen entstehen können, ist laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology auch eine Übertragungsdistanz von 6 bis 8 Meter möglich.

Eventuelle Krankheitserreger sind in diesen Tröpfchen von Wasser umgeben und sterben in den allermeisten Fällen (auch bei SARS-CoV-2) schnell ab, wenn das Wasser verdunstet. Der Zeitraum bis zur Verdunstung ist hauptsächlich von der Größe der Tröpfchen abhängig, aber auch Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Luftbewegung spielen eine Rolle. Je nach Zusammenspiel dieser Faktoren reicht die Verdunstungszeit von weniger als einer Sekunde bis hin zu 20 bis 30 Sekunden.

Die Kontakt-Übertragung

Grundsätzlich können solche Tröpfchen mit Krankheitserregern auch auf Oberflächen haften. Bei einer Berührung solcher Oberflächen (beispielsweise mit den Händen) ist grundsätzlich dann auch eine Übertragung möglich, wenn die Erreger danach durch eine Berührung auf die Schleimhäute (entweder des oberen Atemtrakts oder der Bindehaut der Augen) gelangen.

Solche Kontakt- oder Schmier-Übertragungen sind möglich, allerdings ist das Risiko als eher gering einzuschätzen und kann durch Hygiene-Maßnahmen (Waschen der Hände und Desinfektion von Oberflächen) nahezu ausgeschlossen werden.

Das Tragen von Gummi-Handschuhen (beispielsweise in Supermärkten) erhöht übrigens eher das Risiko solcher Übertragungen. Denn auf der glatten Oberfläche solcher Handschuhe haften Tröpfchen weitaus besser als auf der Haut. Deswegen werden diese Handschuhe im medizinischen Bereich auch nur zum Betreten von Zimmern mit hohem Infektionsrisiko benutzt und nach dem Verlassen direkt entsorgt.

Die Aerosol-Übertragung

Eine Sonderform der Tröpfchen-Übertragung stellt die Übertragung als Aerosol dar. Aerosole (oder Tröpfchenkerne) entstehen durch die Verdunstung eines Teiles der Wasserhülle aus Tröpfchen. Danach bleiben Tröpfchenkerne mit einem Durchmesser von weniger als 5 μm übrig, die aufgrund ihrer Leichtigkeit über Stunden in der Luft schweben können.

Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass SARS-CoV-2-Viren in solchen Aerosol-Wolken über Stunden überlebensfähig und infektiös bleiben können. In einer anderen aktuellen Studie kommen die Verfasser zu dem Ergebnis, dass Aerosole mit SARS-CoV-2-Viren bis zu drei Stunden in der Luft schweben können.

Nach einer aktuellen Studie, auf die sich auch Prof. Christian Drosten in seinem Podcast bezieht, spielt die Aerosol-Übertragung wahrscheinlich eine sehr wichtige Rolle bei der Corona-Pandemie und könnte für gut die Hälfte aller Infektionen verantwortlich sein.

Grundsätzlich sollte davon ausgegangen werden, dass ein Mund-Nasen-Schutz (egal ob in Form einer OP-Maske oder eine Stoffmaske) keinen Schutz gegen Aerosole bieten kann. Einen Schutz gegen diese sehr kleinen Partikel können nur FFP2- und FFP3-Masken bieten, die allerdings entweder zum dauernden Tragen ungeeignet sind (ohne Ventil) oder keinerlei Schutz für die Umwelt bieten (mit Ventil) und daher nur im medizinischen Bereich benutzt werden sollten.

Von Sciencia58 – Eigenes Werk, Neuzeichnung, Quellen: [1][2][3][4][5][6][7][8], CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=89649387

Andererseits ist es aber auch so, dass sich Aerosol-Wolken bei einer genügend großen Luftbewegung kaum bilden können. Daher kann man Außenbereiche und gut durchlüftete Räume durchaus als ziemlich sichere Zonen ansehen. Und zwar in den Außenbereichen wohl selbst dann, wenn die Abstands-Regeln nicht eingehalten werden.

Fazit

Aus den verschiedenen Übertragungswegen ergeben sich einige recht einfach nachzuvollziehende Schlussfolgerungen.

  1. Die Öffnung von Cafés, Restaurants und Veranstaltungsräumen stellt ein erhebliches Risiko dar. Außerdem lässt sich das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes kaum mit Essen und Trinken vereinbaren, die Innenräume begünstigen die Entstehung von Aerosol-Wolken und die Aufenthaltsdauer in diesen Innenräumen ist relativ lang.
  2. Die Öffnung von Terrassen der Cafés und Restaurants sollte hingegen keine allzu großen Risiken beinhalten. Und zwar selbst dann, wenn in vielen Fällen weder die Einhaltung der Mindestabstände noch das ständige Tragen des Mund-Nasen-Schutzes möglich sein wird.
  3. Die Öffnung von Schulen (besonders für ältere Schüler) stellt aufgrund der unausweichlichen Vermischung der Gruppen durch soziale Kontakte außerhalb der Schulen ein kaum abzuschätzendes Risiko dar. Dass Kinder und Jugendliche das SÁRS-CoV-2-Virus weitergeben und auch selbst an Covid-19 erkranken können, ist mittlerweile klar. Ebenso klar ist, dass gerade Schulen bei anderen über die Atemwege übertragbaren Viren (beispielsweise Influenza) immer Kernpunkte des Infektionsgeschehens gewesen sind.
  4. Geschäfte und Supermärkte dürften für das Infektionsgeschehen kaum eine übermäßige Rolle spielen. Denn hier lässt sich sowohl eine Maskenpflicht als auch eine Begrenzung der Anzahl der gleichzeitig anwesenden Personen durchsetzen. Außerhalb mindert die geringere Aufenthaltsdauer in den Räumen und die ständige Luftbewegung durch Belüftungs- und Klimaanlagen die Gefahr der Bildung von Aerosol-Wolken deutlich.
  5. Eine hohe Testkapazität kann ebenfalls dazu beitragen, neue Infektionen schnell zu erkennen und weitere Infektionen durch Quarantäne-Maßnahmen zu unterbinden. Aber dazu wären hinreichend zuverlässige Schnelltests notwendig, die momentan nicht verfügbar sind.

Daraus lässt sich ableiten, dass die derzeit in Luxemburg erfolgten Lockerungen für Geschäfte und die Milderung der Kontaktsperren wahrscheinlich kein allzu großes Risiko beinhalten. Die Öffnung der Außenbereiche von Cafés und Restaurants dürfte ebenfalls mit geringem Risiko möglich sein. Prof. Drosten schlägt in seinem Podcast auch vor, dass man den Gastronomiebetrieben eventuell die Möglichkeit der Nutzung von Bürgersteigen als Ersatz für Terrassen ermöglicht. Das ließe sich vermutlich auch in Luxemburg umsetzen.

Anders sieht es mit der Öffnung der Innenräume von Gastronomiebetrieben und von Veranstaltungsräumen aus. Auf absehbare Zeit (also im Prinzip bis zum Vorhandensein eines Impfstoffes) dürfte eine solche Öffnung eher nicht möglich sein.

Die bereits erfolgte Öffnung der Schulen in Luxemburg mag für die kleineren Kinder aus psychologischer Sicht sinnvoll sein. Für die älteren Schüler hingegen ist sie aus meiner Sicht ein Hochrisiko-Experiment mit dem Potential für einen nicht wiedergutzumachenden Schaden innerhalb weniger Wochen.

Wie denken Sie darüber? Haben Sie Anmerkungen oder andere Ideen zu diesem Thema? Oder sehen Sie es ganz anders? Schreiben Sie es mir in den Kommentaren.

Claus Nehring

Ich bin freiberuflicher Autor, Journalist und Texter (aka "Schreiberling") aus Luxemburg. Als Informatiker und Statistiker habe ich jahrelange Erfahrung in der Visualisierung und Modellierung großer Datenmengen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit Infektionskrankheiten und publiziere Artikel zu diesem Thema, aus verschiedenen anderen Wissenschafts-Bereichen und aus dem Bereich Internet & Gesellschaft,

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