Corona

Wieso kommt es überhaupt zu Durchbruchsinfektionen?

Dieser Artikel stammt von Prof. Dr. Carsten Watzl und ist mit seiner freundlichen Genehmigung hier im Blog veröffentlicht worden. Sie können (und sollten) ihm auf Twitter unter https://twitter.com/CarstenWatzl folgen. Basis für den Artikel ist ein Twitter-Thread, den Sie mit allen Kommentaren und Anmerkungen hier finden können.

Kurze Antwort: Geimpfte, die sich anstecken, haben eine zu geringe Immunität, wenn sie dem Virus ausgesetzt sind. Klingt trivial, hat aber wichtige Konsequenzen.

Deswegen hier die etwas längere Erklärung dazu.

Aktuell spielen Durchbruchsinfektionen (10.827 Fälle) noch keine große Rolle beim Infektions-Geschehen in Deutschland. Laut RKI liegt die Impfeffektivität bei 87% Schutz vor symptomatischer Infektion (siehe hier im RKI-Wochenbericht vom 12. August 2021). Das ist aber ein Durchschnittswert für Februar bis August!

Aktuell infizieren sich nicht Geimpfte viel häufiger (>6x mehr) als Geimpfte.

Anmerkung der Redaktion: In Luxemburg liegt die Wochen-Inzidenz im Durchschnitt der letzten vier Wochen für Geimpfte bei 24,36 und für Ungeimpfte bei 124,42, Ungeimpfte infizieren sich also auch hier mehr als 5-mal so häufig wie Geimpfte (siehe auch im Artikel Delta, der Herbst, die vierte Welle und die Impf-Unwilligkeit hier im Blog).

Wie schützt die Impfung vor Infektion?

Um vor Infektion geschützt zu sein, muss ich Antikörper in Nase und Lunge haben. Dann wird das Virus sofort verklebt, wenn ich es einatme und ich infiziere mich nicht. Die Impfung macht solche Antikörper, sie halten nur nicht sehr lange!

ABER: Wenn ich mich als Geimpfter infiziere, habe ich immer noch Antikörper im Blut und Gedächtniszellen, die das Virus sehr schnell bekämpfen können. Daher werde ich trotz Infektion als Geimpfter nicht schwer krank.

Das erklärt, warum der Impfschutz von Infektion mit der Zeit nachlässt! Die Delta Variante, die ansteckender ist und dem Immunschutz etwas entgeht, hat sicher dazu beigetragen! Der Schutz vor schweren Verläufen ist aber immer noch sehr gut!

Interessant ist, dass diejenigen Geimpften, die sich anstecken, eine geringere Anzahl an neutralisierenden Antikörpern besitzen! Sie sind zwar geimpft, aber nicht mehr ausreichend vor Infektion geschützt!

Quellen: Transmission of SARS-CoV-2 Delta Variant Among Vaccinated Healthcare Workers, Vietnam, The Lancet und Covid-19 Breakthrough Infections in Vaccinated Health Care Workers, New England Journal of Medicine.

Und die Delta-Variante hilft auch nicht, da mit Delta infizierte 250-1000-fach mehr Virus in sich tragen und auch weitergeben. Da braucht es viel mehr Antikörper in der Lunge um vor Infektion zu schützen.

Quellen: Transmission of SARS-CoV-2 Delta Variant Among Vaccinated Healthcare Workers, Vietnam, The Lancet und Viral infection and transmission in a large, well-traced outbreak caused by the SARS-CoV-2 Delta variant, medRxiv.

Und da die frühe Kontrolle des Virus durch die fehlenden Antikörper in Lunge und Nase nicht ausreicht, haben infizierte Geimpfte auch genau so viel Virus in sich, wie infizierte nicht Geimpfte. Und das ist lebendes, infektiöses Virus.

Quelle: Shedding of Infectious SARS-CoV-2 Despite Vaccination when the Delta Variant is Prevalent – Wisconsin, July 2021, medRxiv

ABER: Durch die schnellere Immunreaktion können Geimpfte das Virus eher bekämpfen und die Viruslast reduziert sich schneller.

Heißt aber: Auch infizierte Geimpfte können das Virus weitergeben. Das wurde auch so in einer Studie aus Vietnam belegt, wo sich Geimpfte gegenseitig mit Delta angesteckt haben. Ob sie genau so ansteckend sind wie nicht Geimpfte ist noch nicht gezeigt.

Was bedeutet das jetzt alles?

  1. Impfung schützt immer noch mich selbst vor schwerer Erkrankung. Deshalb impfe ich mich ja.
  2. Ich infiziere mich zwar seltener als nicht Geimpfte, es kann aber passieren. Und dann könnte ich das Virus auch weiter geben.
  3. Wenn Schutz vor symptomatischer Infektion weiter nachlässt, werden auch Geimpfte mehr zur Inzidenz, nicht aber zur Krankenhausbelegung beitragen. Daher ist Impfen immer noch der Weg zur Normalität.
  4. Auch Geimpfte sollten sich an Hygieneregeln halten und bei Symptomen testen.
  5. ABER: Bei sehr hohen Inzidenzen und Gefahr von Überlastung des Gesundheitssystems würde 2G immer noch Sinn machen, da Ungeimpfte ein viel höheres Risiko haben, schwer zu erkranken. Daran ändert auch ein Test nichts.
  6. Wir dürfen Immunität nicht länger aufgrund der Impfung definieren, sondern brauchen einen messbaren Parameter. Die Höhe der neutralisierenden Antikörper sieht gut aus. Ab welchem Wert man geschützt ist, ist aber noch unklar.

Quelle: Neutralizing antibody levels are highly predictive of immune protection from symptomatic SARS-CoV-2 infection, Nature Medicine

Dann könnte man bestimmen, wer trotz Impfung nicht (mehr) ausreichend immun ist und entsprechend nachimpfen.

Aber auch eine Infektion bewirkt eine Auffrischung der Immunität. Bei Geimpften deutlich besser (und sicherer) als bei nicht Geimpften.

Den Original-Thread mit allen Kommentaren gibt’s übrigens hier :

Carsten Watzl

Prof. Dr. rer. nat. Carsten Watzl ist Immunologe und leitet den Forschungsbereich Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Universität Dortmund.Er ist außerdem Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. In "Watzl Weekly" auf YouTube, Instagramm und Facebook informiert er regelmäßig zusammen mit dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe DBfK mit Updates rund um die Corona-Schutzimpfung.

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