Corona

Ein paar Worte zu Impfung und Immunität

Zuletzt aktualisiert am 4. September 2021 von Claus Nehring

Derzeit dreht sich in den Medien und in Diskussionen auf den sozialen Netzwerken viel um die Covid-Impfung. Dabei geht es hauptsächlich um das Nachlassen der Immunität, um Impfdurchbrüche, um die Wirksamkeit von Kreuzimpfungen und um die Frage, wie ansteckend geimpfte Menschen eigentlich noch sind.

Dabei werden dann gerne einmal (noch ungeprüfte) Studienergebnisse hochgejubelt, die aber nicht so eindeutig sind, wie die Verfasser der Kommentare das offenbar annehmen. Und dann führen Fehlinterpretationen solcher Studienergebnisse zu Aussagen und Schlagzeilen, die mit der Realität nicht mehr sonderlich viel zu tun haben.

Gerade bezüglich des nachlassenden Impfschutzes läuft dabei so einiges schief, weil offenbar viele der Kommentatoren immer noch nicht begriffen haben, dass ein sinkender Antikörpertiter nicht unbedingt eine nachlassende Immunität (Spoiler: nein, sie lässt nicht nach, jedenfalls noch nicht!) bedeuten muss. Um verstehen zu können, warum das so ist, möchte ich mit Ihnen im ersten Teil dieses Artikels einen kleinen Ausflug in die faszinierende Welt des menschlichen Immunsystems unternehmen und Ihnen zeigen, wie so eine Immunreaktion überhaupt aussieht.

In den folgenden Abschnitten geht es darum, welche Auswirkungen eine Impfung auf die Reaktion des Immunsystems und den Verlauf einer Covid-19-Erkankung hat, warum die (derzeit stark mediatisierten) Impfdurchbrüche nicht besonders tragisch sind und warum die nachlassende Impfwirkung kein besonderes Problem darstellt.

In den nächsten Abschnitten geht es um die Impfung, dort finden Sie Informationen zur Booster-Impfung und verschiedene Argumente dafür und dagegen und erfahren, warum die Kreuzimpfung eine ziemlich tolle Sache ist. Im letzten Kapitel möchte ich noch einmal kurz auf eine Problematik eingehen, die zur Impfstoff-Verschwendung führt und noch einmal erklären, warum der AstraZeneca-Impfstoff viel besser als sein Ruf ist.

Ich habe mich bemüht, nicht allzu sehr ins Detail zu gehen und gleichzeitig nichts wirklich Wichtiges wegzulassen, ich hoffe, dass ich die richtige Balance gefunden habe. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Spaß bei der Lektüre.

Anmerkung: Falls Sie noch auf der Suche nach guten Gründen für die Impfung sein sollten, kann ich Ihnen auch den Artikel Delta, der Herbst, die vierte Welle und die Impf-Unwilligkeit hier im Blog (in dem ich auch die Funktion des Immunsystems schon einmal ansatzweise beschrieben habe) sowie diesen Artikel der Johns Hopkins University empfehlen

Das Immunsystem

Ein Immunsystem dient der Abwehr fremder Substanzen und/oder Lebewesen, hauptsächlich sind das Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten (wenn sie krankheitserregend sind, bezeichnet man sie als Pathogene). Über ein Immunsystem verfügen nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen und andere biologische Organismen. Je komplexer der Organismus ist, desto komplexer und vielschichtiger ist auch das Immunsystem.

Das menschliche Immunsystem ist aus mehreren Komponenten zusammengesetzt. Das humorale Immunsystem besteht aus Eiweiß-Proteinen (Antikörper und Komplementfaktoren) und Botenstoffen (Interleukine). Zum zellulären Immunsystem gehören spezialisierte Immunzellen, dazu zählen Killerzellen (Granulozyten, Makrophagen, NK-Zellen), dendritische Zellen sowie T- und B-Lymphozyten. Dazu kommen die Immunorgane, die wichtigsten sind im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 das Knochenmark (aus dem die B- und T-Zellen stammen) sowie der Thymus (in dem die T-Zellen selektiert werden).

In Bezug auf das SARS-CoV-2-Virus interessieren uns dabei hauptsächlich die Antikörper sowie die B- und T-Zellen, auf die ich in den folgenden Abschnitten eingehen möchte.

Die Antikörper

Unser Immunsystem bekämpft Pathogene in einer ersten Etappe der Immunantwort (man spricht von der humoralen oder primären Immunantwort) mit speziell gegen diesen Erreger gerichteten Antikörpern, den sogenannten Immunglobulinen. Diese Antikörper verhindern die weitere Verbreitung des Pathogens (indem sie das Andocken an die Zellen verhindern) und sorgen für die Bekämpfung schon eingedrungener Pathogene (indem sie Fresszellen anlocken, die den Erreger eliminieren können).

Immunglobuline werden von B-Zellen produziert, um ein ganz bestimmtes Pathogen zu bekämpfen. Sie verschwinden nach einer Zeit wieder aus dem Körper, können aber bei einer erneuten Infektion mit demselben Pathogen sehr schnell wieder gebildet werden (mehr dazu weiter unten im Abschnitt über das Immungedächtnis).

Es gibt fünf Unterklassen dieser Immunglobuline, die mit den Buchstaben A, D, E, G und M bezeichnet werden. Im Rahmen dieses Artikels über SARS-CoV-2 interessieren uns drei davon, die verschieden schnell gebildet werden und jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen.

Immunglobulin M (IgM) ist so etwas wie die schnelle Eingreiftruppe des Immunsystems. Sie bilden sich einige Tage nach Symptombeginn und haben eine Vielzahl von Bindungsarmen, mit denen sie versuchen, sich an den Bindungsstellen des Pathogens zu befestigen und dieses zu verklumpen. IgM wird im Verlauf der Infektion durch das spezifischere IgG ersetzt.

Immunglobulin A (IgA) bildet sich kurz darauf, es handelt sich um die einzigen Antikörper, die auch von den Schleimhäuten abgesondert werden. Das befähigt IgA dazu, Pathogene schon auf den Schleimhäuten zu bekämpfen. Im Fall respiratorisches Viren wie SARS-CoV-2 kann es die Viren also schon in Mund- und Nasenhöhle bekämpfen.

Immunglobulin G (IgG) wird zuletzt gebildet (ein bis zwei Wochen nach Symptombeginn) und ist am genauesten auf das jeweilige Pathogen zugeschnitten. Es kann, wie IgM auch, an den Bindungsstellen des Pathogens andocken und dieses dadurch neutralisieren. Aber zusätzlich dient es auch als Markierung, durch die das Pathogen von Fresszellen (mehr dazu im nächsten Abschnitt) erkannt und vernichtet werden kann.

Diese Antikörper bilden die erste Antwort des Immunsystems auf ein neu erkanntes Pathogen. Solange diese Antikörper im Körper vorhanden sind, besteht ein sehr hoher Schutz gegen eine erneute Infektion mit dem Pathogen (durch IgA in den Schleimhäuten). Sollte ein Pathogen den Schutz in den Schleimhäuten einmal überwinden können und eine Infektion auslösen, wird seine weitere Verbreitung im Körper (durch IgG im Blutkreislauf) und damit ein schwerer Krankheitsverlauf verhindert.

Im Verlauf einer Infektion werden sehr viele dieser Antikörper zur Bekämpfung des Eindringlings benötigt. Sie können aber nicht auf Dauer im Körper verbleiben und bauen sich deshalb nach einem gewissen Zeitraum (erregerabhängig) wieder ab, am schnellsten IgM, danach IgA und zum Schluss IgG. Ab jetzt besteht zwar kein Antikörper-Schutz mehr, die Immunität ist aber noch längst nicht vorbei.

Denn unser Immunsystem „merkt“ sich das Pathogen für später (Immungedächtnis) und kann deswegen bei einer erneuten Infektion mit demselben Erreger innerhalb weniger Tage die zur Bekämpfung notwendigen Antikörper bereitstellen. Damit ist dann zwar eine Infektion mit dem Pathogen möglich, sie wird aber durch die schnell verfügbaren Antikörper auch sehr schnell wieder gestoppt.

Wie viele Antikörper zu einem bestimmten Zeitpunkt im Körper vorhanden sind, lässt sich bestimmen, das Ergebnis nennt man Antikörper-Titer (mehr dazu finden Sie auch im Artikel Was sagen Antikörpertests eigentlich aus? hier im Blog). Der gemessene Antikörper-Titer macht aber nur einen Teilaspekt der Immunantwort aus, er sollte daher nicht mit Immunität gleichgesetzt werden.

Die zelluläre Immunantwort

Der Teil der zellulären Immunantwort, der uns in Zusammenhang mit SARS-CoV-2 interessiert, sind die B- und T-Zellen (oder B- und T-Lymphozyten). Lymphozyten sind eine Untergruppe der Leukozyten, es handelt sich also um weiße Blutkörperchen.

B-Zellen

B-Zellen werden im Knochenmark gebildet und zirkulieren nach einer Reifung im Blut und in den lymphatischen Organen. Sie sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einem Antigen (das sind Stoffe, die der Körper als fremd erkennt) in Kontakt gekommen und daher inaktiv. Bei Kontakt mit einem passenden Antigen entstehen aus ihnen in einem komplexen Prozess B-Plasmazellen, die dann die oben beschriebenen Antikörper herstellen.

Die meisten dieser B-Plasmazellen haben nur eine geringe Lebensdauer. Aber ein Teil von ihnen verwandelt sich in sogenannte B-Gedächtniszellen, die langfristig im Körper verbleiben und bei einem erneuten Kontakt mit demselben Antigen für eine sehr schnelle Immunantwort sorgen.

T-Zellen

T-Zellen sind etwas komplizierter, weil es mehrere Arten von ihnen gibt. Alle von ihnen können Antigene erkennen. Die sogenannten T-Helferzellen reagieren darauf durch den Ausstoß von Botenstoffen (den sogenannten Zytokinen), die dann wiederum für die Aktivierung von Antikörpern und Fresszellen sorgen.

Zytotoxische T-Zellen sind hingegen Killerzellen, die mit ihrem Ziel-Pathogen befallene Körperzellen erkennen und zerstören können. Sie arbeiten dabei sehr exakt und zerstören nur genau die Zellen, die mit dem Ziel-Pathogen befallen sind (was sehr wichtig ist, da sie ansonsten erheblichen Schaden anrichten könnten). Eine dritte Gruppe von T-Zellen, die sogenannten regulatorischen T-Zellen, können durch den Ausstoß verschiedener Zytokine die Toleranz des Immunsystems regulieren.

Wie die B-Zellen haben auch die T-Zellen nur eine geringe Lebensdauer. Aber auch bei ihnen verwandelt sich ein Teil in sogenannte T-Gedächtniszellen.

Das Immungedächtnis

Wie wir oben gesehen haben, verwandelt sich ein Teil der B- und T-Zellen in Gedächtniszellen, die auf ein bestimmtes Pathogen spezialisiert sind. Diese Gedächtniszellen machen das sogenannte Immungedächtnis aus, das dafür sorgt, dass die Immunreaktion beim erneuten Kontakt mit einem bereits bekannten Erreger wesentlich schneller und effektiver ablaufen kann. Nur aufgrund von diesem Mechanismus ist ein langanhaltender Impfschutz überhaupt möglich.

Bei einer Erstinfektion dauert es einige Wochen, bis das Immunsystem genügend Antikörper zur Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus bereitstellen kann. Zeit, in der sich das Virus ungehindert im Körper vermehren und viele Organe befallen kann. Nach der Impfung (oder nach einer überstandenen Infektion) werden diese Antikörper schon nach wenigen Tagen gebildet, das SARS-CoV-2-Virus wird effektiv bekämpft, bevor es größere Schäden anrichten kann.

Unser Immungedächtnis sorgt also dafür, dass die Schutzwirkung der Impfung auch dann noch erhalten bleibt, wenn die Antikörper längst wieder verschwunden sind.

Was wir nicht wissen ist, wie lange dieser Schutz andauert. Wir wissen aus Studien (beispielsweise hier bei Nature oder hier bei Science) aber zumindest schon seit längerem, dass es mehr als 8 Monate sein werden (für weitergehende Daten sind die Impfungen noch zu neu). Aber es gibt da einen Lichtblick: wir wissen, dass sich bei Menschen, die sich vor gut 18 Jahren mit dem ersten Corona-Virus SARS infiziert haben, bis heute noch T-Gedächtniszellen gegen dieses Virus nachweisen lassen. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass der Immunschutz durch unser Immungedächtnis für viele Jahre anhält.

Schematisch sieht das dann ungefähr so aus:

Quelle: Ärzteblatt

Die Auswirkung der Impfung auf einen Covid-19-Verlauf

Um die Vorteile zu verstehen, zu denen einem eine Covid-19-Impfung verhelfen kann, wollen wir uns zunächst einmal kurz den Verlauf der Erkrankung bei einer ungeimpften Person ansehen. Denn dann lässt sich verstehen, dass die Reaktion unseres Immunsystems ein Wettlauf mit der Zeit ist, den bei ungeimpften Personen im Allgemeinen das SARS-CoV-2-Virus gewinnt.

Aus der hier gezeigten Grafik lässt sich entnehmen, wie sich die Viruslast bei einer Erstinfektion entwickelt und wann welche Antikörper gebildet werden. Daraus ergibt sich Folgendes:

Bei der Infektion einer ungeimpften Person

Nach einer Erstinfektion mit dem SARS-CoV-2-Virus beginnt sich das Virus nach einigen Tagen im Rachenraum zu vermehren. Der Gipfel der Viruslast ist dann nach 2 bis 3 Tagen erreicht und erste Symptome der Covid-19-Erkrankung beginnen sich zu zeigen (erst ab diesem Moment wird dem Patienten die Infektion bewusst, infektiös, als ansteckend für andere, ist er zu diesem Zeitpunkt aber schon wenigstens 2 Tage).

Innerhalb der nächsten Woche sinkt die Viruslast im Rachenraum langsam ab, erste (noch recht unspezifische) IgM-Antikörper bilden sich im Blutkreislauf und erste IgA-Antikörper versuchen die Infektion im Rachenraum zu bekämpfen. Die Viruslast im Rachenraum und damit die Infektiösität klingt innerhalb der ersten Woche nach Symptombeginn langsam ab, das Virus beginnt sich jetzt allerdings über die Atemwege im restlichen Körper auszubreiten, weil außer einigen IgM-Antikörpern nichts da ist, was es daran hindern könnte.

Ab Beginn der ersten Woche nach Symptombeginn bilden sich erste IgG-Antikörper, die das Virus zwar erfolgreich bekämpfen können, aber noch nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind. Eine effektive Bekämpfung der bereits in den Körper eingedrungenen Viren ist ab ungefähr Mitte der zweiten Woche nach Symptombeginn möglich, weil das Immunsystem erst zu diesem Zeitpunkt genügend IgG-Antikörper gebildet hat.

Das SARS-CoV-2-Virus hat bis zum Einsetzen der Immunantwort also wenigstens zwei Wochen Zeit, um sich völlig ungebremst im Körper auszubreiten, bis zum Einsetzen einer wirklich effektiven Immunantwort vergeht wenigsten noch eine weitere Woche. Abhängig von den jeweiligen Risikofaktoren ist ein schwerer Verlauf möglich oder sogar wahrscheinlich (in Luxemburg landen durchschnittlich sechs von hundert Infizierten in der Klinik und einer stirbt).

Anmerkung: das oben gezeigte Schaubild stammt aus einer Studie vom November 2020, bezieht sich also auf den Wildtyp des SARS-CoV-2-Virus. Die aktuell grassierende Delta-Variante kann sich um ein Vielfaches schneller replizieren, die Infektiösität beginnt damit schneller und dauert länger an und die Replizierung im ganzen Körper geht ebenfalls deutlich schneller vonstatten.

Bei der Infektion einer geimpften Person

Bei einer geimpften Person sieht das völlig anders, weil das Immunsystem das SARS-CoV-2-Virus (oder zumindest einen Teil davon, das sog. Spike-Protein) durch die Impfung schon „kennt“ und deswegen bereits eine Immunantwort aufgebaut hat.

Dabei nimmt zwar der Schutz vor einer erneuten Infektion ständig ab. Das liegt einfach daran, dass immer weniger IgA-Antikörper in den Schleimhäuten vorhanden sind, die das Virus schon im Rachenraum bekämpfen könnten.

Aber der Schutz vor einem schweren Verlauf bleibt auch Monate nach der Impfung sehr stabil. Das liegt daran, dass entweder noch genügend IgG-Antikörper vorhanden sind, um ein Eindringen des Virus in den Körper zu verhindern. Oder daran, dass unser Immunsystem diese IgG-Antikörper so schnell erneut bereitstellen kann (dank Immungedächtnis), dass dem Virus nicht genügend Zeit zur Vermehrung bleibt.

Außerdem sorgt das Immungedächtnis für ein schnelleres Abnehmen der Viruslast und damit für eine viel kürzere infektiöse Phase. Denn auch fehlende IgA-Antikörper können sehr schnell (das dauert nur einige Tage) neu gebildet werden und bekämpfen das Virus dann direkt im Rachenraum. Deswegen können sich geimpfte Personen zwar infizieren und sie können auch andere anstecken, die infektiöse Phase dauert bei Geimpften aber nur einige Tage anstelle von beinahe zwei Wochen.

Die Wahl zwischen Impfung und Infektion

Die beiden oben beschriebenen Optionen, also entweder die Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus (mit den mittlerweile wohl hinreichend bekannten möglichen Folgen) oder die Impfung gegen das Virus, sind die einzigen Wahlmöglichkeiten.

Denn dieses SARS-CoV-2-Virus wird nicht wieder verschwinden. Sobald einmal genügend Menschen eine Immunität aufgebaut haben, wird SARS-CoV-2 zu einem endemischen Virus werden (ob es weiterhin schwere Verläufe verursacht, irgendwann zu einer Art jährlicher Grippewelle führt oder so etwas wie eine harmlose Erkältung wird, hängt von den zukünftigen Varianten ab).

Aus epidemiologischer Sicht ist’s dabei übrigens völlig gleichgültig, ob eine Person diese Immunität nun durch Impfung oder Infektion aufbaut. Für Gesundheitswesen und Wirtschaft sind Impfverweigerer hingegen deutlich problematischer, weil rund 6 % von ihnen im Krankenhaus landen werden. Jede einzelne dieser vermeidbaren Infektionen verursacht einen Verdienstausfall für die Wirtschaft, Krankenhaus-Kosten von durchschnittlich gut 10.000 € (teilweise deutlich mehr, siehe beispielsweise hier bei der Ärzte-Zeitung), bindet das Personal des Gesundheitswesens und sorgt so mit dafür, dass andere Menschen eigentlich benötigte Behandlungen aufgrund fehlender Kapazitäten nicht bekommen können.

Eigentlich sollte der ziemlich positive Effekt der Impfung ziemlich klar sein, wenn man sich vor Augen führt, dass mehr als 90 Prozent der hospitalisierten Patienten und nahezu alle Intensiv-Patienten nicht geimpft sind (mehr dazu weiter unten im Abschnitt über Impfdurchbrüche).

Also: MIT Impfung bleibt Corona im Rachenraum hängen, OHNE Impfung darf es sich ein paar Wochen ungehindert im Körper vermehren und Schaden anrichten. Und zwar in Ihrem Körper, wenn Sie sich gegen die Impfung entscheiden.

Ein paar weitere Gründe für eine Impfung und ein paar zusätzliche Erklärungen finden Sie auch im Artikel Delta, der Herbst, die vierte Welle und die Impf-Unwilligkeit, mehr über die möglichen  Folgen einer Infektion finden Sie im Artikel Die versteckte Pandemie – Long-Covid.

Die Impfdurchbrüche bei der Delta-Variante

Seit sich die Delta-Variante zunehmend durchsetzt, sehen wir vermehrt Impfdurchbrüche (also Menschen, die sich trotz vollständiger Impfung mit dem SASR-CoV-2-Virus infizieren). Die gute Nachricht dabei ist, dass sich vollständig geimpfte Menschen zwar manchmal infizieren, aber so gut wie nie mit schweren Verläufen zu kämpfen haben (dazu weiter unten etwas mehr).

Impfdurchbrüche wird es immer geben, weil eine Impfung bei manchen Menschen nun einmal weniger wirksam ist (hauptsächlich bei Menschen mit Immundefiziten und bei älteren Menschen, weil das Immunsystem mit zunehmendem Alter weniger gut funktioniert). Bei der Delta-Variante scheinen Sie sich etwas zu häufen, weil sich diese Variante weitaus schneller repliziert und das Immunsystem deshalb schneller mit einer höheren Viruslast fertig werden muss.

Die Frage ist, um wie viel infektiöser diese Delta-Variante nun tatsächlich ist und wie gut sie dem Immunschutz ausweichen kann. In den USA kommt eine Studie der Mayo-Klinik beispielsweise zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit der Impfung für den Moderna-Impfstoff von 91 Prozent im Februar auf 76 Prozent im Juli gesunken ist, beim BioNTech/Pfizer Impfstoff sank die Effektivität von 89 auf 42 Prozent.

Unklar bleibt dabei, wie viel dieser nachlassenden Immunität auf die Delta-Variante zurückzuführen ist (die im Februar in Minnesota fehlte, im Juli aber vorherrschend war) und wie viel auf den über die Monate nachlassenden Antikörper-Level. Israelische Forscher kommen in einer anderen Studie bei BioNTech/Pfizer allerdings auf ähnliche Zahlen, hier betrug die Wirksamkeit im Juni und Juli noch 41 Prozent.

Zu etwas besseren Ergebnissen kommt eine Studie aus Katar, die für den BioNTech/Pfizer-Impfstoff eine Wirksamkeit gegen die Delta-Variante von 60 und für den Moderna-Impfstoff von 86 Prozent angibt.

Ein noch besseres Bild zeigen die Studien von Public Health England, in denen die Wirksamkeit des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs gegen die Delta-Variante mit 88 Prozent angegeben wird. Ähnlich sieht das eine Studie aus Kanada, die unter vergleichbaren Vorgaben eine Wirksamkeit von 87 Prozent angibt.

Die groß angelegte ZOE Covid-Studie aus Großbritannien kommt zu dem Ergebnis, dass die Schutzwirkung der BioNTech/Pfizer-Impfung in vier Monaten um 14 Prozentpunkte gesunken ist, bei AstraZeneca waren es 10 Prozentpunkte in drei Monaten.

Aber diese Studien reden eigentlich nicht von der Immunität. Denn sie beziehen sich ausschließlich auf die Antikörper-Antwort, die nur einen Teil der Immunantwort darstellt (und von der wir ja auch vorher schon gewusst haben, dass sie nachlässt). Die für den langfristigen Immunschutz viel wichtigere zelluläre Immunantwort bleibt dabei außen vor. Also geht es bei der in den Studien hervorgehobenen nachlassenden Schutzwirkung nur um den Schutz vor Infektionen, nicht um den vor schweren Verläufen.

Außerdem sind die Studien nicht unbedingt direkt miteinander vergleichbar. Die genannten Studien aus den USA, Katar und Israel beziehen asymptomatische Patienten mit ein, bei denen die hohe Dunkelziffer an unentdeckten Fällen zu weitaus niedrigeren Schätzungen der Wirksamkeit führen dürfte. Die Studien aus Großbritannien und Kanada zeichnen vermutlich ein realistischeres Bild, weil man sich in diesen Studien auf symptomatische Fälle beschränkt hat.

Die Unterschiede in der Wirksamkeit der Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna sind ebenfalls erklärungsbedürftig. Die bessere Wirksamkeit des Moderna-Impfstoffes könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Dosierung höher ist (der Impfstoff enthält im Vergleich zu BioNTech/Pfizer mehr als dreimal so viele mRNA-Moleküle). Ein anderer Grund könnte ganz einfach darin bestehen, dass der BioNTech/Pfizer-Impfstoff weitaus früher eingeführt wurde, weswegen bei ihm im Gegensatz zu Moderna das Absinken der Antikörper-Level die Studienergebnisse bereits stärker beeinflusst haben könnte.

Impfdurchbrüche und schwere Verläufe

Viel wichtiger für den Einzelnen ist aber die Frage, wie effektiv die Covid-Impfung gegen schwere Verläufe schützen kann. Und da sehen die Zahlen weitaus vielversprechender aus. In verschiedenen Studien finden sich auch Ergebnisse für die Wirksamkeit gegen eine Hospitalisierung aufgrund einer Covid-19-Erkrankung, die durchschnittlich deutlich über 90 Prozent liegt.

Wenn man dabei bedenkt, dass zwischen 10 und 20 Prozent der Bevölkerung mit Immundefiziten zu kämpfen haben, dann liegen diese Ergebnisse im oberen erwartbaren Bereich und belegen, dass der Schutz gegen schwere Verläufe auch bei der Delta-Variante immer noch extrem gut ist.

Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich in den Kliniken. Nach einem Bericht des ZDF sind in Deutschland derzeit rund 90 Prozent der hospitalisierten Covid-Patienten ungeimpft, auf den Intensiv-Stationen sind es mehr als 94 Prozent. In Frankreich sind nach einem Bericht der Tagesschau rund 85 Prozent der hospitalisierten Covid-Patienten ungeimpft. In den USA (die allerdings auch ein nicht vergleichbares Gesundheitssystem haben) ist der Anteil an ungeimpften Covid-Patienten noch einmal deutlich höher, nach einem Bericht des Spiegel sind hier 99,9 Prozent der hospitalisierten Patienten nicht geimpft.

Und das ist noch nicht einmal die ganze Wahrheit, weil in diesem speziellen Fall die angegebenen Prozentzahlen etwas irreführend sind. Das liegt an etwas, das in der Statistik als Simpson-Paradoxon bekannt ist.

Das Simpson-Paradoxon schlägt zu

Eine Menge Impfgegner haben Zahlen zur Hospitalisierung aus Israel entdeckt, mit denen sie jetzt in den sozialen Netzwerken aufzeigen möchten, dass die Impfung ja gar nicht gegen schwere Verläufe schützt. Und auf den ersten Blick wirken diese Zahlen auch durchaus korrekt, man muss schon etwas genauer hinsehen, um sie als irreführend zu entlarven.

Genutzt werden Zahlen aus Israel vom 15. August 2021, in denen von insgesamt 515 hospitalisierten Covid-Patienten mit schwerem Verlauf 301 Patienten (58,4 %) als vollständig geimpft bezeichnet werden. Daraus wird dann gefolgert, dass die Impfung nur zu gut 40 Prozent vor schweren Verläufen schützt.

Die Zahlen sind richtig, die Schlussfolgerung hingegen falsch. Das liegt daran, dass zweierlei nicht berücksichtigt wird, nämlich weder die Größe der verglichenen Gruppen (in Israel sind nahezu 80% aller Einwohner über 12 Jahren geimpft) noch die Tatsache, dass sich Impfungen, Infektionen und schwere Verläufe nicht gleichmäßig über die Altersgruppen verteilen.

Deswegen wollen wir die Zahlen einmal kurz in den richtigen Kontext setzen. Zunächst einmal sollte man die Zahlen in Bezug zur jeweiligen Gruppengröße setzen, also beispielsweise pro 100.000 Einwohner berechnen.

Alleine durch diese Normalisierung verändert sich das Ergebnis schon deutlich, aus einer Wirksamkeit von gut 40 % werden schon 67,5 %. Aber auch das ist noch ziemlich weit von der eigentlichen Wahrheit entfernt. Denn wir wissen auch, dass die Schwere einer Covid-19-Erkrankung stark altersabhängig ist und dass sich auch die Impfquote nach Altersgruppe deutlich unterscheidet. Deswegen macht es Sinn, die Daten auf die verschiedenen Altersgruppen aufzuteilen.

Jetzt sehen wir die Wirksamkeit für die verschiedenen Altersgruppen. Und können feststellen, dass der Schutz der Impfung gegen schwere Verläufe in allen Altersgruppen sehr hoch ist.

Anmerkung: Als Quelle für diesen Abschnitt dient der Artikel Israeli data: How can efficacy vs. severe disease be strong when 60% of hospitalized are vaccinated? von Jeffrey Morris, in dem das Problem noch sehr viel ausführlicher beschrieben wird und für dessen Arbeit ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken möchte.

Die Kommunikation in Luxemburg ist auch nicht besser

Hierzulande hat die Gesundheitsministerin Paulette Lenert gerade (am 27. August 2021) auf eine parlamentarische Anfrage (n° 4737) wie folgt geantwortet:

Die dabei verwendete Tabelle kann ebenfalls leicht zu der falschen Schlussfolgerung führen, dass die Impfung ja gar nicht so toll wirkt. Das liegt daran, dass in dieser Tabelle ein paar Faktoren nicht berücksichtigt wurden. Also sehen wir uns das doch einfach mal an.

Zunächst einmal sind dies hier absolute Zahlen, die nicht normalisiert worden sind. Um überhaupt eine Vergleichbarkeit zu bekommen, müsste die Anzahl der geimpften bzw. ungeimpften Personen der jeweiligen Woche berücksichtigt werden.

Wenn man die Zahlen dementsprechend auf eine Wochen-Inzidenz pro 100.000 Einwohner berechnet, dann ändert sich die Risiko-Beurteilung schon erheblich, anstelle des (falschen) 3,65-fach höheren Infektions-Risikos haben Ungeimpfte nämlich tatsächlich ein mehr als 5-fach so hohes Risiko, sich zu infizieren.

Aber das ist noch nicht einmal alles. Denn wir wissen seit zwei Wochen auch, wie häufig ungeimpfte und geimpfte Menschen in den Kliniken bzw. auf der Intensiv-Station landen. Und das sieht’s für Ungeimpfte ganz schlecht aus. Falls eine geimpfte Person sich doch einmal infiziert (und das Risiko ist schon gering genug), dann ist das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt für die geimpfte Person 1,87-fach geringer als für eine ungeimpfte Person, das Risiko für einen Aufenthalt auf der Intensiv-Station ist sogar 9-mal geringer.

Daraus ergibt sich dreierlei:

  1. Die Impfung wirkt, sie reduziert das Infektions-Risiko um das 5-fache.
  2. Im Falle eines Impfdurchbruchs schützt die Impfung vor einem schweren Verlauf, das Risiko für einen Klinikaufenthalt wird um knapp die Hälfte vermindert, das Risiko für Intensivpflege ist um das 9-fache reduziert.
  3. Es ist eine wirklich ziemlich schlechte Idee, sich nicht impfen zu lassen.

Die nachlassende Impfwirkung ist kein Problem

Wir haben oben gesehen, dass unsere Immunantwort aus mehreren Komponenten besteht. Da sind zum einen die schützenden Antikörper, die aber nach einigen Monaten wieder verschwinden (was auch nicht sonderlich überraschend ist, das ist bei vielen anderen Krankheiten auch der Fall). Die IgA-Antikörper im Rachenraum verschwinden dabei schneller als die IgG-Antikörper im Blut, deswegen nimmt der Schutz vor Infektionen schneller ab als der vor schweren Verläufen.

Wir haben auch gesehen, dass das Immungedächtnis nach einer Covid-19-Impfung (oder einer SARS-CoV-2-Infektion) dafür sorgt, dass bei einer erneuten Infektion innerhalb einiger Tage neue Antikörper gebildet werden. Das verhindert zwar nun auch bei Geimpften nicht unbedingt eine Infektion, aber es sorgt zuverlässig dafür, dass die Infektiösität schnell (bei der Delta-Variante innerhalb von ein paar Tagen anstelle von rund zwei Wochen) wieder absinkt. Und genauso zuverlässig sorgt es dafür, dass für Geimpfte ein schwerer Verlauf einer Covid-19-Erkrankung in den allermeisten Fällen kein Thema sein dürfte.

Deswegen gibt es jetzt eigentlich keinen Grund, um in Panik zu verfallen und nach einer schnellen dritten Impfung zu rufen. Solange der Schutz vor schweren Verläufen bestehen bleibt (und das tut er), ist das Schließen der bestehenden Impflücken viel wichtiger (allein hier in Luxemburg sind knapp 250.000 Menschen ohne vollständigen Impfschutz, weltweit sind’s mehr als 5,7 Milliarden).

Letztendlich bedeutet das, dass sich eine geimpfte Person zwar mit dem SARS-CoV-2-Virus infizieren und auch andere Menschen anstecken kann und dass dieses Risiko zunimmt, umso länger die Zweitimpfung zurückliegt. Aber es bedeutet auch, dass Geimpfte weniger infektiös als Ungeimpfte sind und dass das Risiko eines schweren Verlaufs für Geimpfte auch Monate nach der Impfung immer noch sehr, sehr gering ist.

Im unten verlinkten und sehr lesenswerten Artikel auf Spektrum können Sie nachlesen, warum Durchbruchs-Infektionen sogar vorteilhaft sein könnten.

Die Booster- oder Auffrischungs-Impfung

Über die Frage, ob eine dritte Impfdosis nötig und sinnvoll ist, wird gerade heftig diskutiert. Ein Teil dieser Diskussionen dreht sich um die Frage, ob die Pharma-Industrie (hauptsächlich geht es da um die Hersteller der mRNA-Impfstoffe) die Booster-Impfung nur aus Gewinnstreben promotet, ein anderer Teil befasst sich eher mit dem Nutzen einer solchen Booster-Impfung aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht und ein wieder anderer Teil betrifft eher ethische Fragen nach einer gerechten Impfstoff-Verteilung.

Die gesellschaftliche Diskussion über die Gewinne der Pharma-Industrie

Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Unternehmens-Gewinnen (nicht nur der Pharma-Industrie) ist eine gesellschaftliche, auf die ich hier nicht eingehen möchte und zu der wohl jeder seine eigene Meinung hat. Daher dazu an dieser Stelle nur zwei Anmerkungen:

  1. Die mRNA-Impfstoffe sind keine „experimentelle Gentherapie“, die ein verrückter Wissenschaftler mal eben so übers Wochenende zusammengebastelt hat, um damit schnell ein paar Milliarden zu verdienen (auch wenn manche Impfgegner so etwas gerne mal behaupten). Sowohl die mRNA-Forschung als auch die Forschung an den Lipid-Nanopartikeln, in denen sich die mRNA-Moleküle befinden, dauert seit Jahrzehnten an (mehr darüber im Artikel Die spannende Geschichte der mRNA-Impfstoffe hier im Blog). Nach so langer Forschung ist es vielleicht gerechtfertigt, wenn ein Unternehmen mit den Resultaten Geld verdienen möchte.
  2. Der Impfstoff von AstraZeneca ist in Kooperation mit der Universität Oxford entstanden, ein günstiger Preis war von vornherein das Ziel. Deswegen wurde viel Wert auf einen einfachen Herstellungsprozess und einfache Lagerbarkeit gelegt, damit der Impfstoff auch in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert und verteilt werden kann (für die auch zwei Drittel der Produktion bestimmt sind). Dazu kommt, dass sich AstraZeneca verpflichtet hat, den Impfstoff zum Selbstkostenpreis abzugeben, weswegen der Preis sehr deutlich unter dem der anderen Impfstoff-Hersteller liegt (mehr darüber im Artikel Ein Plädoyer für den AstraZeneca-Impfstoff hier im Blog). Wer also einerseits gegen die Gewinne der Pharma-Industrie polemisiert, sollte dann möglicherweise auch bei der Wahl des Impfstoffes konsequent sein.

Die wissenschaftliche Diskussion über den Sinn der Booster-Impfung

Nun aber zum (deutlich wichtigeren) wissenschaftlichen Teil der Diskussion und damit zur Frage, ob eine Booster-Impfung sinnvoll ist. Bisher ist Israel das einzige Land, das Drittimpfungen in größerer Anzahl durchgeführt hat und damit auch das einzige, aus dem Daten dazu zur Verfügung stehen.

Die Wirksamkeit der Booster-Impfung

Dazu muss man allerdings wissen, dass es Israel bei der Booster-Impfung um die Verminderung der Infektiösität, also um die Verstärkung der Antikörper-Antwort (die humorale Immunantwort) in der Altersgruppe über 60 Jahre gegangen ist. Weil Israel schon sehr früh mit der Impfung begonnen hat, ist ein Großteil dieser Altersgruppe schon vor 5 Monaten oder mehr das zweite Mal geimpft worden. Die Booster-Impfungen wurden nötig, weil nach Zahlen der Gesundheitsbehörde der Schutz gegen Neu-Infektionen (bei denen die Wirksamkeit seit dem Frühjahr von 95,8 auf 39 % gefallen war) stark nachgelassen hatte.

Anmerkung vom 3. September 2021: Im ursprünglichen Artikel hatte ich hier geschrieben „Die Auffrischung betraf nicht den Schutz gegen schwere Verläufe (bei dem die Wirksamkeit nur leicht von 99 auf 91 % fiel).“. Das war ungeschickt ausgedrückt, ich wollte damit ausdrücken, dass die Auffrischungs-Impfung aufgrund des Wirksamkeits-Verlusts gegenüber schweren Verläufen eigentlich nicht notwendig gewesen wäre.

Aber selbst das war so nicht ganz richtig, worauf mich Jan Hartmann berechtigterweise hingewiesen hat. Denn die Daten zum Immunitäts-Verlust aus Israel beziehen sich nicht auf Antikörper-Titer, sondern auf klinische Daten. Deswegen hat er recht, wenn er schreibt:

Schutz von 86% vor schwerer Erkrankung bei > 60J. ist gut, aber zu wenig wenn sich Delta mit doppelt so hohem Risiko für Hospitalisierung in diesen Alterskohorten (und anderen Risikogruppen) verbreitet. Darum wäre hier ein Booster m.E. absolut indiziert.

Jan Hartmann in einem Kommentar auf Twitter (Link am Ende des Artikels)

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Lesern bedanken, die mich auf solche Fehler hinweisen und mir damit enorm dabei helfen, meine Artikel zu verbessern. Ich habe deswegen am Ende des Artikels einen Abschnitt „Leser-Reaktionen“ mit einigen dieser Kommentare hinzugefügt.

Ein Erfolg war die Booster-Impfung in Israel übrigens durchaus. Das ist zwar in der Wochen-Inzidenz noch nicht sichtbar (da liegt Israel mit deutlich über 600 immer noch erschreckend bei einem erschreckend hohen Wert), aber die Reproduktionszahl (der R-Wert) ist in der Altersgruppe über 60 Jahre mittlerweile wieder unter 1 gefallen, die Booster-Impfung hat also für ein nachlassendes Infektions-Geschehen gesorgt.

Quelle: Reuters

Deswegen ergeben sich auch diesen Studien zwei sehr gute Nachrichten.

  1. Die Booster-Impfung sorgt dafür, dass das Immunsystem erneut eine starke Antikörper-Antwort (humorale Immunantwort) aufbaut.
  2. Die zellulare Immunantwort (die für den langfristigen Immunschutz sorgt) war auch nach 5 Monaten und mehr immer noch ausreichend stark, um schwere Verläufe einer Covid-19-Erkrankung ziemlich zuverlässig verhindern zu können.

Aufgrund eines nachlassenden Schutzes gegen schwere Verläufe wäre die Booster-Impfung also vermutlich nicht notwendig gewesen, hier ging es primär um den Schutz vor Neu-Infektionen (die durch den starken Anstieg der Inzidenz notwendig wurde). Da nach heutigem Wissensstand die zellulare Immunantwort bei den Vektor-Impfstoffen wohl noch stärker ausfällt, brauchen wir uns um den Schutz vor schweren Verläufen momentan wohl keine größeren Sorgen zu machen.

Der Einfluss eines kürzeren Impfabstands auf die Booster-Impfung

Seit der explosionsartigen Ausbreitung der Delta-Variante gibt es Diskussionen darüber, ob der Abstand zwischen den beiden Impfdosen verkürzt werden sollte. Denn die Impfstoffe von AstraZeneca, BioNTech/Pfizer und Moderna schützen erst ein paar Wochen nach der zweiten Impfdosis wirklich effektiv gegen diese Variante (dazu gibt’s beispielsweise hier eine Datenanalyse des britischen Gesundheitsministeriums von Mitte Juni). Also, so die Idee, könnte die Verkürzung des Abstands zwischen erster und zweiter Impfdosis dafür sorgen, dass mehr Menschen schneller einen vollständigen Impfschutz aufbauen können.

Die Zulassungen und Empfehlungen lassen da durchaus einen gewissen Spielraum, so empfiehlt die deutsche Impfkommission STIKO die folgenden Impfabstände (die EMA ist bei AstraZeneca etwas großzügiger und lässt ein Intervall zwischen 4 und 12 Wochen zu):

Quelle: RKI

Allerdings sorgen kürzere Intervalle zwischen den Impfungen auch für einen niedrigeren Immunschutz (das geht beispielsweise für AstraZeneca aus einer Studie in The Lancet und für BioNTech/Pfizer aus einer Studie in BMJ hervor) und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit einer Booster-Impfung.

Um den bestmöglichen Immunschutz zu erzielen und damit vielleicht auf eine Booster-Impfung verzichten zu können, ist ein längerer Abstand zwischen den beiden Impfdosen also durchaus sinnvoll.

Die ethische Diskussion über die Impfstoff-Verwendung

In einer anderen Frage geht es darum, ob eine Dritt-Impfung in den reichen Ländern dieser Erde sinnvoll ist, solange die Bewohner der ärmeren Länder noch nicht einmal eine erste Impfung erhalten haben. Und diese Frage betrifft nicht nur die Ethik, sondern hat durchaus auch einen epidemiologischen Hintergrund.

Aus ethischen Erwägungen heraus lässt sich die Frage ziemlich eindeutig beantworten. Gerade die Daten aus Israel zeigen, dass auch ohne Booster-Impfung ein sehr starker und langanhaltender Schutz vor einem schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung besteht. Deswegen kann es kaum gerechtfertigt sein, wenn reiche Länder Impfstoffdosen zur Drittimpfung verwenden, während viele gefährdete Bewohner ärmerer Länder noch überhaupt keinen Impfschutz haben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO lehnt derzeit Booster-Impfungen ab, weil Länder mit hohem Einkommen durchschnittlich bereits 100 Impfstoffdosen pro 100 Einwohner verabreicht haben, während in den armen Ländern aus Impfstoff-Mangel nur 1,5 Dosen pro 100 Einwohner verabreicht werden konnten.

Aber auch aus epidemiologischen Erwägungen heraus sind Booster-Impfungen wohl eher zu verneinen. Sie sind zwar durchaus dazu geeignet, das Infektions-geschehen kurzfristig zu beruhigen (siehe Israel, beispielsweise hier bei Reuters). Aber nachhaltig werden wir die Corona-Pandemie nur unter Kontrolle bringen können, wenn das weltweite Infektions-Geschehen gebremst werden kann (weil jede Replikation des SARS-CoV-2-Virus die Gefahr der Entstehung weiterer Varianten mit sich bringt).

Da die Impfung einer bisher ungeimpften Person mehr Neu-Infektionen verhindert als dies bei einer Booster-Impfung einer bereits geschützten Person der Fall ist, sollte aus diesen Erwägungen heraus auf die Booster-Impfungen derzeit eher verzichtet werden.

Solange also nicht genügend Impfstoffe für den weltweiten Einsatz zur Verfügung stehen, sollten wir Booster-Impfungen eigentlich nur dann in Erwägung ziehen, wenn sie dem Schutz von Risiko-Patienten ohne ausreichenden Immunschutz dienen (das betrifft hauptsächlich ältere Menschen ab ungefähr 60 Jahren sowie Jüngere mit Immundefiziten).

Trotz des oben gesagten gibt es aber noch ein weiteres Argument für Booster-Impfungen, nämlich die Impfverweigerung. Die hat in vielen Ländern der Welt nämlich dazu geführt, dass Impfstoffdosen aufgrund des näher rückenden Ablaufdatums von Entsorgung bedroht sind. Und im Zweifelsfall bringt eine für eine Booster-Impfung verwendete Impfstoffdosis immer noch erheblich mehr als eine entsorgte Impfstoffdosis.

Die Kreuzimpfung

Aufgrund der zu Beginn der Covid-Impfungen festgestellten Nebenwirkungen des AstraZeneca-Impfstoffes kam es in vielen Ländern zu einer Beschränkung der Impfstoff-Freigabe auf bestimmte Altersgruppen. Um die von diesen Beschränkungen betroffenen Personengruppen trotzdem vollständig impfen zu können, wurde von den zuständigen Behörden eine Kreuzimpfung empfohlen, bei der nach einer ersten Dosis des AstraZeneca-Impfstoffes zur zweiten Impfung einer der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer oder Moderna genutzt wurde.

Ein Impfschema, bei denen mehrere Impfstoffe kombinierte werden, bezeichnet man als heterologes Impfschema (bei mehreren Dosen desselben Impfstoffs spricht man hingegen von einem homologen Impfschema). Heterologe Impfschemata sind durchaus nichts Außergewöhnliches (es gibt sie beispielsweise bei Impfungen gegen Influenza, Ebola oder Hepatitis-C), sie werden normalerweise bei schnell mutierenden Viren genutzt, um eine umfassendere Immunantwort hervorzurufen.

Bei der Covid-Impfung ist die Situation etwas anders, weil die verfügbaren Impfstoffe auf unterschiedlichen Technologien mit unterschiedlichen Vorteilen beruhen. Nach derzeitigem Wissensstand geht man davon aus, das Vektor-Impfstoffe eine ausgeprägtere zellulare Immunantwort erzeugen, während mRNA-Impfstoffe wohl eine stärkere humorale Immunantwort hervorrufen. Was also läge näher, als zu versuchen, die Vorteile beider Impf-Technologien durch eine Kreuzimpfung miteinander zu verbinden?

Für die Kombination einer Erstimpfung mit dem AstraZeneca-impfstoff und einer Zweitimpfung mit einem der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer oder Moderna liegen mittlerweile auch gesicherte Studienergebnisse vor, weil diese Kombination schon sehr häufig verimpft wurde. Und sie zeigen tatsächlich eine noch höhere Wirksamkeit als ein homologes Impfschema mit einem der mRNA-Impfstoffe.

Einige aktuelle Studien finden Sie bei Interesse bei Eurosurveillance, The Lancet, medRxiv, PubMed und noch einmal The Lancet.

Gerade bisher nicht geimpfte Menschen sollten daher ernsthaft darüber nachdenken, ob eine Erstimpfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca und eine Zweitimpfung mit einem der mRNA-Impfstoffe nicht sinnvoll wäre. Und zwar aus mehreren Gründen:

  1. Es dauert nicht länger bis zum vollständigen Aufbau des Immunschutzes als bei einer homologen Impfung mit einem der mRNA-Impfstoffe (der empfohlene Impfabstand liegt laut RKI bei 4 Wochen).
  2. Die Erstimpfung ist in vielen Fällen schneller möglich, weil in den meisten europäischen Ländern genügend ungenutzter AstraZeneca-Impfstoff vorhanden ist. Bei den mRNA-Impfstoffen ist hingegen der Termin der Erstimpfung immer noch davon abhängig, ob genügend Impfstoff zur Verfügung steht.
  3. Einen besseren Immunschutz gibt es nicht. Viele Studien zeigen, dass der Immunschutz bei einem heterologen Impfschema mit AstraZeneca und einem der mRNA-Impfstoffe einen besseren Schutz als ein homologes Impfschema mit den mRNA-Impfstoffen bietet.
  4. Der Immunschutz dürfte länger anhalten als bei einem homologen Impfschema mit einem der mRNA-Impfstoffe. Das liegt daran, dass die auf Adenoviren basierenden Vektor-Impfstoffe wie der von AstraZeneca offenbar eine bessere zellulare Immunantwort auslösen (mehr dazu finden Sie weiter oben im Abschnitt Der nachlassende Impfschutz).
  5. Sie wirken der Impfstoff-Verschwendung entgegen, weil Sie dafür sorgen, dass der bereits vorhandene Impfstoff von AstraZeneca genutzt werden kann. Und umso mehr Impfstoff auch tatsächlich genutzt werden kann, desto schneller werden wir mit dieser Pandemie fertig werden können.

Zwei kleinere Nachteile gibt es allerdings auch. So ist zum einen der Immunschutz nach der ersten Impfdosis geringer als bei den mRNA-Impfstoffen (wobei der Unterschied bei der derzeit grassierenden Delta-Variante nicht so groß ausfällt, als dass er die Vorteile der Kreuzimpfung zunichtemachen würde). Und zum zweiten fallen die Impfreaktionen etwas stärker aus, weil die Erstimpfung bei AstraZeneca ebenso wie die Zweitimpfung mit einem der mRNA-Impfstoffe zu stärkeren Reaktionen als bei einem homologen Impfschema führt (wobei schwere Nebenwirkungen ebenso extrem selten wie bei der homologen Impfung sind).

Alles in allem bietet das heterologe Impfschema mit AstraZeneca und einem der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer oder Moderna so viele Vorteile, dass eine Entscheidung dafür sehr sinnvoll erscheint, um den derzeit bestmöglichen Immunschutz zu bekommen.

Das „Cherry Picking“ bei den Impfstoffen

Trotz der mittlerweile klarer werdenden Vorteile des AstraZeneca-Impfstoffs (bessere zelluläre Immunantwort als die mRNA-Impfstoffe und bester Impfschutz überhaupt bei Kreuzimpfung mit BioNTech/Pfizer oder Moderna) leidet er deutlich an seinem schlechten Image (mehr darüber finden Sie im Artikel Ein Plädoyer für den AstraZeneca-Impfstoff vom 5. März 2021 hier im Blog). Nach den vorliegenden Zahlen hat die Bevölkerung vieler Länder (dazu gehört auch Luxemburg) offenbar eine Vorliebe für die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna sowie den Vektor-Impfstoff von Johnson entwickelt.

Anhand der Zahlen aus Luxemburg (Quelle: ECDC, Stand 24.08.2021) lässt sich das gut illustrieren. Von den vollständig geimpften Personen hierzulande wurden 238.470 (66,73 %) mit BioNTech/Pfizer, 50.311 (14,08 %) mit AstraZeneca, 34.466 (9,64 %) mit Moderna und 34.139 (9,55 %) mit Johnson geimpft. Allerdings wurden hierzulande von den gelieferten Dosen bei BioNTech/Pfizer, Moderna und Johnson jeweils um die 80 % tatsächlich verwendet, bei den gelieferten AstraZeneca-Dosen waren das nur knapp 58 % (oder anders ausgedrückt, für rund 75.000 Dosen AstraZeneca haben wir keinen Abnehmer gefunden).

Woran das liegt, ist auch relativ klar. Die mRNA-Impfstoffe gelten als wirksamer als die Vektor-Impfstoffe und der Johnson-Impfstoff punktet damit, dass nur eine Impf-Dosis notwendig ist und deswegen der begehrte Impf-Pass schneller ausgestellt wird. Der AstraZeneca-Impfstoff wird hingegen in vielen Ländern aufgrund seines schlechten Images kaum noch nachgefragt.

Die zunehmende Impfmüdigkeit sorgt für Impfstoff-Verschwendung

In vielen der reichen Länder dieser Welt wird eine zunehmende Impfmüdigkeit sichtbar. Nach einem aktuellen Bericht der BBC lehnen zwischen 10 und 60 Prozent der bisher ungeimpften Menschen eine Impfung aus unterschiedlichen Gründen ab (mehr zu diesen Gründen finden Sie im unten verlinkten Artikel).

Während das für die Impfverweigerer eher ein persönliches Problem ist (das Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung ist doch erschreckend hoch), stellt es global gesehen ein ziemliches Problem dar. Denn diese Verweigerungshaltung sorgt auch dafür, dass in absehbarer Zeit Millionen von Impfstoff-Dosen vernichtet werden müssen, weil das Ablaufdatum näher rückt. Alleine in Deutschland sind davon laut einem Bericht der FAZ rund 3,2 Millionen Impfstoffdosen betroffen.

Grundsätzlich könnte man solche ungenutzten Impfstoffdosen über die Covax-Initiative der Weltgesundheits-Organisation an bedürftige Länder weiterleiten. Aber das ist nicht so einfach, weil die dahinterstehende Logistik sehr komplex ist und Covax deswegen nur Impfstoffe mit einer Rest-Haltbarkeit von mindestens 2 Monaten annimmt. Bei Interesse finden Sie hier einen Artikel der Berliner Morgenpost, in dem die Problematik ausführlich beschrieben wird.

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die Impfverweigerung in den reichen Ländern dieser Welt zur Entsorgung nicht verwendbarer Impfstoffdosen führt. Damit führt Impfverweigerung in direkter Folge dazu, dass sich Menschen in den ärmeren Ländern dieser Welt aus Mangel an Impfstoff nicht impfen lassen können, obwohl sie es gerne würden.

Was dann wiederum dazu führt, dass die Zahl der Neu-Infektionen sowohl hier bei uns (aufgrund der Impfverweigerer) als auch in den ärmeren Ländern (aufgrund fehlender Impfstoffdosen, die bei uns ungenutzt vernichtet werden) höher als notwendig ist.

Nun ist Impfverweigerung rational sowieso schon eher schlecht begründbar. Aber gerade beim durch sein schlechtes Image besonders betroffenen AstraZeneca-Impfstoff kommt noch hinzu, dass dieser Impfstoff viel besser als sein Ruf ist.

AstraZeneca ist viel besser als sein Ruf

Gerade in Bezug auf den Impfstoff von AstraZeneca könnte sich eine Impfverweigerung als Fehl-Entscheidung herausstellen. Wir wissen heute bereits, dass die Kreuzimpfung mit AstraZeneca und einem der mRNA-Impfstoffe den bestmöglichen Immunschutz hervorruft. Und wir wissen auch, dass der Antikörper-Level langsamer fällt und die zelluläre Immunantwort stärker ausfällt als bei den mRNA-Impfstoffen.

Nach einer aktuellen Studie der Universität Oxford scheint der Abbau der Antikörper nach einer Impfung mit dem Vektor-Impfstoff von AstraZeneca langsamer abzulaufen, als das beim mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer der Fall ist. Während der BioNTech/Pfizer-Impfstoff anfangs deutlich wirksamer war, war die Schutzwirkung nach rund vier Monaten beim AstraZeneca-Impfstoff ungefähr gleich, weil die Wirkung sehr viel langsamer nachlässt.

Eine mögliche Erklärung dazu liefert Tomas Hanke, Professor für Impfstoffimmunologie am Jenner Institut der Universität Oxford im oben verlinkten Artikel der Financial Times: bei der Verabreichung eines mRNA- Impfstoffes wird eine begrenzte Anzahl von mRNA-Molekülen abgegeben, die schließlich aus dem System entfernt werden. Wenn man jedoch Adenoviren als Vektor nutzt, wie es AstraZeneca tut, liefert man eine Vorlage, die immer wieder mRNA-Moleküle produziert, es gibt also keine Obergrenze (was nebenbei auch erklären würde, warum sich der Impfschutz bei AstraZeneca über einen längeren Zeitraum hinweg aufbaut).

Im Moment sind diese Ergebnisse noch mit etwas Vorsicht zu genießen, weil die Oxford-Studie die erste ist, die auf einen schnelleren Abbau der Wirksamkeit bei BioNTech/Pfizer gegenüber AstraZeneca hindeutet. Aber es sind zweifellos interessante Ergebnisse, die logisch erklärbar sind und die auf einen möglichen Vorteil des Impfstoffes von AstraZeneca (und der anderen Vektor-Impfstoffe) hinweisen könnten.

Über den Unterschied zwischen Vektor- und mRNA-Impfstoffen hat Lars Fischer in seinem Blog schon im Februar einen exzellenten Artikel geschrieben. Einen ebenfalls sehr interessanten (allerdings englischsprachigen) Artikel zur Reaktion des Immunsystems auf die Adenovirus-Impfstoffe finden Sie auch hier bei Nature.

Es ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass sich der Impfstoff von AstraZeneca in seiner Langzeit-Wirksamkeit gegenüber den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/ Pfizer und Moderna als überlegen erweisen könnte (das werden allerdings erst zukünftige Langzeit-Studien zeigen können).

Fazit

Ich habe in diesem Artikel versucht, einige Irrtümer rund um die Impfung richtig zu stellen und so gut wie möglich zu erklären, was bei der Impfung eigentlich im Körper passiert. Ich hoffe, dass ich Ihnen diese Zusammenhänge deutlich machen konnte und Ihnen (falls Sie noch nicht geimpft sein sollten), die eine oder andere hilfreiche Information geben konnte.

Insbesondere möchte ich Ungeimpften nahelegen, sich einmal mit der Möglichkeit der Kreuzimpfung (mit AstraZeneca und einem der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer oder Moderna) auseinanderzusetzen, weil dieses Impfschema den derzeit wohl besten Immunschutz bietet.

Die Medienberichte zu Impfdurchbrüchen und nachlassender Impfwirkung sollten nicht überbewertet werden, hier wird vielfach die Antikörper-Antwort mit der Immunität verwechselt. Der Impfschutz gegen Infektionen (mit dem übrigens vor einem Jahr kaum jemand überhaupt gerechnet hatte) lässt zwar nach, ist aber auch nach Monaten immer noch sehr hoch.

Die Studie zeigt primär, dass der Schutz vor einer Infektion mit der Zeit etwas abnimmt. Aber einen Ansteckungsschutz von 74 Prozent bei Biontech/Pfizer und 67 Prozent bei Astrazeneca finde ich immer noch verdammt gut!

Martin Stürmer, Virologe im IMD Labor Frankfurt, ZDF

Der Impfschutz gegen einen schweren Verlauf ist bisher auch nach sechs bis acht Monaten immer noch kaum abgesunken (auch das hätte zu Beginn der Impfungen kaum jemand zu hoffen gewagt). Und wir wissen jetzt auch, dass die Impfung tatsächlich die Bildung von B- und T-Gedächtniszellen anregt und dass deswegen eine jahrelang anhaltende Immunität im Bereich des Möglichen liegt.

Alles in allem also eigentlich sehr gute Nachrichten, auch wenn’s in den Medien manchmal etwas negativer dargestellt wird.

Ich glaube nach wie vor, dass die Impfung unsere einzige Möglichkeit darstellt, um aus dieser Pandemie halbwegs unbeschadet herauszukommen und erneute Einschränkungen zu vermeiden.

Wenn jetzt noch der eine oder andere Impfverweigerer seine Haltung überdenkt und sich vielleicht doch noch für eine Impfung entscheidet, wenn wir weltweit Fortschritte bei der Impfung machen und wenn nicht doch noch eine neue Variante auftaucht, bei der die Impfung nicht mehr wirkt, dann könnten irgendwann im nächsten Jahr tatsächlich das Gröbste überstanden haben.

In eigener Sache: Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, dann können Sie mir das Schreiben und Recherchieren gerne mit einem Kaffee oder einer kleinen Spende versüßen. Eine Möglichkeit dazu finden Sie auf der Seite Buy me a coffee.

Wie denken Sie darüber? Haben Sie Anmerkungen oder andere Ideen zu diesem Thema? Oder sehen Sie es ganz anders? Schreiben Sie es mir in den Kommentaren.

Leser-Reaktionen

Claus Nehring

Ich bin freiberuflicher Autor, Journalist und Texter (aka "Schreiberling") aus Luxemburg. Als Informatiker und Statistiker habe ich jahrelange Erfahrung in der Visualisierung und Modellierung großer Datenmengen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit Infektionskrankheiten und publiziere Artikel zu diesem Thema, aus verschiedenen anderen Wissenschafts-Bereichen und aus dem Bereich Internet & Gesellschaft,

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