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Die Entstehungsgeschichte des Internet

Zuletzt aktualisiert am 23. Januar 2020 von Claus Nehring

Einleitung

Das Internet ist aus unserem heutigen Leben kaum noch wegzudenken. Der Siegeszug des Internet ist die Basis für unsere heutige Informationsgesellschaft, es hat unsere Kultur so verändert, wie das vorher nur einigen Jahrhundert-Ideen wie dem Buchdruck oder dem Automobil gelungen ist. Und selbst bei diesen Entwicklungen ist es meiner Ansicht nach fraglich, ob sie auch nur ansatzweise das gleiche Potential zur Veränderung der Gesellschaft hatten.

Aber mit dieser enormen Auswirkung auf die moderne Gesellschaft hat zu Zeiten der Entwicklung des ursprünglichen Internets kaum jemand gerechnet. Und eigentlich war es auch nicht im mindesten so geplant, wie es letztendlich gekommen ist.

Und weil ich diese Geschichte sehr spannend finde und weil sie ein Paradebeispiel dafür ist, wie Ideen sich verselbständigen und jeder Kontrolle entziehen können, möchte ich Ihnen in diesem Artikel diese Geschichte einmal (natürlich aus meiner Sicht, andere Autoren mögen das völlig anders sehen) erzählen.

Falls Sie daneben auch an meiner Sichtweise über die Auswirkungen des Internets auf unser heutige Gesellschaft interessiert sein sollten, wird Sie eventuell auch mein Artikel „Die Auswirkungen des Internet auf unsere heutige Gesellschaft“ interessieren.

Die Geschichte des Internet

Am Anfang stand das Militär

Lassen Sie uns einmal kurz auf die Zeit der Entwicklung der Vorläufer des heutigen Internets zurückblicken. Gegen Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war der kalte Krieg zwischen den Westmächten unter Führung der USA und dem sogenannten Ostblock unter Führung der Sowjetunion allgegenwärtig. Die Berlin-Blockade (1948) und der Koreakrieg (1950) lagen gerade erst einige Jahre zurück, das atomare Wettrüsten war in vollem Gange und die Welt bewegte sich am Rande eines Atomkrieges.

Für amerikanische Regierungsstellen stellte sich das Problem, das im Falle eines atomaren Angriffes eine sichere Kommunikation auf Basis der verfügbaren Verbindungen nicht mehr sichergestellt werden konnte. Und für dieses Problem musste aus damaliger Sicht eine Lösung gefunden werden. Und diese Lösung bestand in der Schaffung eines redundanten (und damit aus damaliger Sicht unzerstörbaren) Kontrollnetzwerks, das Städte und Militärstützpunkte sicher miteinander verbinden konnte.

Die ARPA

In dieser Situation gründeten die USA im Jahr 1958 Arbeitsgruppe ARPA (für „Advanced Research Projects Agency“), die nach neuen Technologien und Ideen forschen sollte. Hauptsächlich sollte sie daran arbeiten, den USA wieder eine Vormachtstellung im Bereich der Raumfahrt zu verschaffen (die Sowjetunion hatte kurz zuvor den ersten Satelliten „Sputnik“ ins Weltall geschossen und mit diesem Technologievorsprung bei den Amerikanern den sogenannten „Sputnik-Schock“ ausgelöst).

Zu diesem Vorhaben gehörte die Förderung wissenschaftlicher Projekte bei Universitäten und Forschungseinrichtungen, deren Ergebnisse dem US-Militär zugutekommen konnten. Eines der von der ARPA damals geförderten Projekte war die Arbeit von Paul Baran bei der Firma RAND Corporation, der an einem dezentralen Netzwerk mit digitaler Informationsübertragung für die amerikanische Luftwaffe arbeitete. Das Resultat dieses Projektes war eine neuartige Netzstruktur, bei der eine Information zerstückelt und in kleinen Datenpakete über verschiedene Wege durch das Netzwerk an andere Computer geschickt und am Zielort wieder zu nutzbaren Informationen zusammengesetzt wurde.

Die Idee hinter diesem Netzwerk bestand darin, dass die Informationen (die kleinen Datenpakete) über verschiedenste Wege zum Empfänger gelangen konnte, wobei die Knotenpunkte des Netzwerks selbständig den jeweils verfügbaren Weg wählten. Damit war das Netzwerk komplett redundant, ein Ausfall einzelner Knotenpunkte hatte keine Auswirkung mehr auf die Funktionsfähigkeit des gesamten Netzwerks. Und damit wäre die ursprüngliche Forderung nach einem unzerstörbaren Netzwerk eigentlich erfüllt gewesen.

Nur wollte das US-Verteidigungsministerium eine zentrale Lösung für die gesamten US-Streitkräfte haben und das neue Netzwerk nicht zu diesem Zweck nutzen. Und daher wurde das von Baran erfundene Netzwerk auch innerhalb der amerikanischen Luftwaffe nie umgesetzt.

Das Arpanet

Aber nichtsdestotrotz förderte die ARPA die Weiterentwicklung dieses neuen Netzwerktyps auch weiterhin. Und deswegen entstand im Jahr 1969 am MIT (für „Massachussetts Institute of Technology“) das weltweit erste Computernetzwerk, das sogenannte Arpanet.

Dieses Netzwerk ermöglichte die Kommunikation verschiedener Computer über Telefonleitungen. Das wichtigste Merkmal dieser neuen Technologie war die Aufteilung der übermittelten Daten in sogenannte Pakete, die sich automatisch innerhalb des Netzwerkes den geeignetsten Weg suchten und der damit verbundenen Ausfallsicherheit gegenüber dem Ausfall einzelner oder mehrerer Netzknoten.

Und da sowohl in den USA als auch in anderen Ländern schnell weitere Computernetzwerke entstanden, musste sehr bald ein Protokoll für die Koppelung dieser Netzwerke entwickelt werden. Dieses Protokoll war mit dem von einer Forschungsgruppe unter Vinton Cerf und Robert E. Kahn an der Stanford University entwickelten TCP/IP ab dem Jahr 1974 verfügbar. Mithilfe dieses Protokolls konnten jetzt erstmals fast jegliche Netzwerke zusammengeschlossen werden, vollkommen unabhängig von ihrer physikalischen Implementierung.

1972 wurde Robert E. Kahn am DARPA Information Processing Technology Office angestellt, wo er an satellitengestützten paketvermittelnden Netzen und an terrestrischen Funknetzwerken arbeitete, wobei ihm auffiel, wie wichtig die Möglichkeit sein würde, unabhängig von der Übertragungstechnik über alle Netze kommunizieren zu können. TCP/IP wurde übrigens seit dem 1. Januar 1983 als alleiniges Protokoll im Arpanet eingesetzt, die damals verwendete Version „TCP/IP v4“ wird noch heute im Internet verwendet.

Im Jahr 1972 waren bereits 37 Einrichtungen an das Arpanet angeschlossen, das Netzwerk umspannte mittlerweile die gesamten Vereinigten Staaten. Und damit wurde die gemeinsame Arbeit an Forschungsprojekten zwischen diesen Einrichtungen natürlich erheblich erleichtert. Weswegen auch immer weniger Personen den Sinn eines weltumspannenden Arpanets infrage stellten, die Vorteile waren schlicht zu offensichtlich.

Allerdings gab es da noch zwei ganz offensichtliche Nachteile. Zum einen hatten ausschließlich Einrichtungen Zugang zum Arpanet, die entsprechende Verträge mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium hatten. Und zum zweiten waren Netzwerkzugänge damals unglaublich teuer; ein solcher Zugang kostete stolze 100.000 US-Dollar – und zwar pro Jahr. Und dazu kam noch die Anschaffung der für die Nutzung erforderlichen und extrem teuren Großrechner.

Für Privatanwender lag das Internet damals also noch in weiter Ferne, bis zum Startschuss des heutigen Internets waren noch einige Hürden zu meistern.

DNS und der Rückzug der Militärs

Im Jahr 1983 löste das amerikanische sein eigenes Netzwerk, das MILNET (für „Military Network“) aus dem Arpanet heraus und machte damit den Weg für eine weitergehende Anwendung frei. Im Januar desselben Jahres erfolgte der offizielle Wechsel zum Protokoll CP/IP.

Im November 1983 kam ein weiterer Meilenstein hinzu. Das Domain Name System (DNS) wurde entwickelt, das die Übersetzung der bis dahin ausschließlich genutzten IP-Adressen mit aussagekräftigen Adressen und Buchstaben-Endungen erlaubt und erstmals die heute geläufige Form von Internet-Adressen möglich machte.

Das Ende des Arpanet und der Beginn des heutigen Internets

Im Jahr 1989 ging das Arpanet nach 20 Jahren im Einsatz vom Netz und machte den Weg frei für das Internet in heutiger Form, das die Grundtechnologien des Arpanet bis heute beibehält und weiterentwickelt.

Und ein Jahr später kam dann mit der Entwicklung von HTML der eigentliche Durchbruch für das heutige Internet. Im Jahr 1990 wurde ein erstes Konzept für ein weltweites Hypertext-Konzept von den am CERN beschäftigten Forschern Tim Berners-Lee und Robert Cailliau veröffentlicht. In der Folgezeit wurden von einer Gruppe um Berners-Lee die Seitenbeschreibungssprache HTML, das Transferprotokoll HTTP, die URL, der erste Web-Browser WorldWideWeb und der erste Webserver httpd unter dem Betriebssystem NeXTStep entwickelt.

Und damit war nun endgültig alles vorhanden, dass das Internet zu dem Werkzeug machen sollte, als das wir es heute kennen. Im Jahr 1990 machte die National Science Foundation das Internet auch für kommerzielle Zwecke nutzbar, ab diesem Zeitpunkt hatte jeder Zugang zum Internet.

Die Idee des „Internet für jedermann“

Aber Tim Berners-Lee beschränkte sein Wirken nicht nur auf die technische Umsetzung des Internets, sondern beeinflusste auch stark die Nutzungsmöglichkeiten für jedermann.

Am 30. April 1993 wurde das Projekt WorldWideWeb vom CERN zur „Public Domain“ erklärt und war von diesem Zeitpunkt an für jedermann nutzbar. Ungefähr zeitgleich ging auch die erste Website der Welt mit Informationen zum WWW-Projekt online, die bis heute in unveränderter Form vorhanden ist.

Er gründete 1994 das World Wide Web Consortium (W3C) am Massachusetts Institute of Technology und sorgte dafür, dass seine Ideen und technischen Umsetzungen nicht patentiert wurden, sondern frei weitergegeben werden konnten. Und er hatte starken Einfluss auf die Maxime des W3C, nur patentfreie Standards zu verabschieden.

Einige weitere Meilensteine

Im Jahr 1994 tauchten mit Lycos und Yahoo die ersten Suchmaschinen im Internet auf. Die Idee der Suchmaschine wurde dann 1998 von Google weiterentwickelt, dass durch seine Schnelligkeit und Relevanz in Bezug der Suchergebnisse immer mehr an Bedeutung gewann und heute die mit weitem Abstand meistgenutzte Suchmaschine im Internet ist.

Im Jahr 1995 entstand Amazon und wächst bis heute weiter. Und sechs Jahre später entstand Wikipedia, dass sich bis heute zum beliebtesten Online-Lexikon entwickelt hat. Im Jahr 2003 gründete Mark Zuckerberg seine Plattform Facebook und 2005 entstand YouTube.

Und das Netz boomt und boomt

Im Jahre 2002 hatten ca. 600 Millionen Menschen einen Internetzugang. Die eine Milliarde-Grenze wurde 2005 überschritten. Anfang 2013 stieg die Zahl auf ca. 2,5 Milliarden, und Mitte 2017 waren bereits 3,5 Milliarden Menschen online.

Mittlerweile wurde die Grenze von 4 Milliarden deutlich überschritten und es werden sekündlich mehr. Und ein Ende der Erfolgsstory ist nicht absehbar.

Fazit

Im Prinzip ist also die heutige Freiheit des Internet auf zwei Dinge zurückzuführen. Zum einen liegt es an der durch die ARPA in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts vorangetriebenen Idee zu einem dezentralen Netzwerk. Denn genau diese Dezentralität wurde letztendlich der Garant für die Unkontrollierbarkeit und die daraus resultierende Neutralität des Internet.

Und zum zweiten sind es die Ideen von Tim Berners-Lee zur Umsetzung der technischen Umwälzung, die er erfunden hat, die das heutige Internet zu dem Netz für alle machen, dass wir alle kennen und schätzen gelernt haben (auch wenn uns die Vielfalt der Informationen manchmal zum Wahnsinn treiben mag).

Tim Berners-Lee kämpft übrigens mittlerweile mit der Initiative „#For the Web“ für das Prinzip eines offenen Internets für alle und gegen die Tendenzen zu Online-Missbrauch, Vorurteile, Voreingenommenheit, Polarisierung und Falschnachrichten. Hier finden Sie seinen „Contract for the Web“ und hier können Sie sich in die Liste der Unterstützung seiner Idee eintragen. Ich wäre froh, wenn Sie’s täten.

Claus Nehring

Ich bin freiberuflicher Autor, Journalist und Texter (aka "Schreiberling") aus Luxemburg. Als Informatiker und Statistiker habe ich jahrelange Erfahrung in der Visualisierung und Modellierung großer Datenmengen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit Infektionskrankheiten und publiziere Artikel zu diesem Thema, aus verschiedenen anderen Wissenschafts-Bereichen und aus dem Bereich Internet & Gesellschaft,

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