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Alles über Gesichtserkennung (Face Recognition)

Einleitung

Spätestens seit dem Siegeszug der Face-ID (die Entsperrung eines Mobiltelefons mithilfe der Gesichtserkennung) und der aktuellen Diskussion um den Einsatz automatisierter Gesichtserkennungs-Systeme durch Sicherheitsbehörden in vielen Ländern ist das Thema stark in den öffentlichen Fokus gerückt.

Wie bei vielen technologischen Fortschritten ist ein grundlegendes Verständnis der Technologie wichtig. Deswegen finden Sie in diesem Artikel Sie einen Überblick zum derzeitigen Stand der Technologie, zu ihren Einsatzmöglichkeiten und zu den Vor- und Nachteilen.

Was ist Gesichtserkennung?

Die Gesichtserkennung (oder Face Recognition) ist ein System, mit dem eine Person über ein Bild oder Video identifiziert werden kann. An dieser Technologie wird bereits seit Jahrzehnten gearbeitet, und sie wird auch bereits seit Jahren in Sicherheits-Systemen eingesetzt. In den letzten Jahren ist ihr Einsatz jedoch mehr und mehr im Massenmarkt sichtbar geworden.

Grundsätzlich soll mit der automatisierten Gesichtserkennung eine Möglichkeit geschaffen werden, eine bestimmte Person auf einem Bild oder Video automatisch zu erkennen. Diese Funktionen können beispielsweise zur Zugangskontrolle oder bei der Suche nach bestimmten Personen genutzt werden.

Kategorien

Allerdings gehen moderne Systeme zur Gesichtserkennung noch weit darüber hinaus. Denn mit diesen Algorithmen werden den Gesichtern daneben noch Attribute zugeordnet. Mit diesen in den Metadaten zum jeweiligen Bild gespeicherten Attributen lassen sich Informationen wie der Gemütszustand, der Altersbereich und eher profane Dinge wie Geschlecht, Brillenträger oder Bartträger zu einem bestimmten Bild zuordnen.

Diese Attribute (die letztendlich das Bild beschreiben) sind zum einen für die Werbebranche interessant, zum anderen können sie aber natürlich auch verwendet werden, um sehbehinderten Personen Informationen zu einem bestimmten Bild oder Video übermitteln zu können, beispielsweise durch Vorlesen.

Facebook legt die Resultate seiner automatisierten Gesichtserkennung beispielsweise zu genau diesem Zweck in den Alternativtexten der Bilder ab (beispielsweise könnte hier bei einem Strandbild stehen „Bild könnte enthalten: Clara Mustermann, lächelnd, steht, Ozean, Himmel und im Freien“).

Die Anwendungsbereiche

Grundsätzlich gibt es zwei Haupt-Einsatzbereiche für Gesichtserkennung. Da wäre zum einen die Identifikation von Personen auf Bildern und zum anderen die Zugangskontrolle. Für beide Bereiche gibt es nahezu unendlich viele Anwendungsszenarien.

So könnte Gesichtserkennung beispielsweise von Behörden zum Aufspüren von Verdächtigen oder zum Auffinden vermisster Personen oder von Nachrichtenorganisationen zur Identifikation von Prominenten auf Veranstaltungen genutzt werden. Aber auch im privaten oder beruflichen Umfeld kann die Gesichtserkennung interessante Vorteile für jeden bieten, der mit größeren Bildersammlungen umgeht.

Im Bereich der Zugangskontrolle ist sicherlich das Entsperren eines Mobiltelefons (Face ID) das bekannteste Beispiel, allerdings wird die Gesichtserkennung auch vielerorts zur Zugangsberechtigung genutzt, beispielsweise in der Grenzkontrolle.

Durch die mittlerweile fast überall verfügbaren Überwachungskameras lassen sich Millionen von Bildern relativ schnell auf das Auftauchen bestimmter Personen hin überprüfen. Das Problem stellt hier eher die vielfach aus datenschutzrechtlichen Erwägungen unzureichende rechtliche Grundlage für die Datenerfassung dar. Dazu aber später bei den Vor- und Nachteilen mehr.

Die technische Umsetzung

Grundsätzlich, und sehr vereinfacht dargestellt, arbeitet ein Algorithmus zur Gesichtserkennung mit der Geometrie der verschiedenen Elemente in einem Gesicht. So wird beispielsweise die Anordnung, Größe, Form und Lage von Augen, Nase, Stirn, Mund und anderen Gesichtsmerkmalen vermessen und mithilfe von Punkten festgelegt. Aus der Gesamtheit dieser Punkte lässt sich ein Index erstellen, der eine bestimmte Person eindeutig kennzeichnet und der ebenso individuell ist wie beispielsweise ein Fingerabdruck.

Beim Durchsuchen von Bildern wird nun für jedes auf einem Bild sichtbare Gesicht ein solcher Index erstellt und mit dem gesuchten Indexwert verglichen und ein Wert für die Ähnlichkeitsbewertung erstellt. Umso höher dieser Wert für die Ähnlichkeit (von 0 bis 100 %) ausfällt, desto wahrscheinlicher ist es, dass das jeweilige Bild die gesuchte Person zeigt.

Die Genauigkeit der Verfahren

Die Fehlerrate der Gesichtserkennung liegt heute bei unter 1 Prozent. Das heißt, dass die automatisierte Gesichtserkennung mittlerweile ebenso zuverlässig wie ein Fingerbadruck funktioniert (und die menschliche Gesichtserkennung deutlich übertrifft).

Die Grenzen der Technik

Die Fehlerfreiheit eines jeden Algorithmus kann nicht garantiert werden. Das liegt ganz einfach daran, dass zur Garantie einer vollständigen Fehlerfreiheit jeder mögliche Anwendungsfall getestet werden müsste und dass dies bei komplexen Systemen schlicht nicht möglich ist. Deswegen bedeutet eine Fehlerrate von 1 % auch nicht, dass jede Erkennung zwangsläufig korrekt sein muss.

Und deswegen ist es wichtig, dass ein solcher Algorithmus niemals eine autonome Entscheidung treffen kann und darf. Jeder Algorithmus kann immer nur Anhaltspunkte und Wahrscheinlichkeiten liefern, die letztendliche Entscheidung muss immer (und aufgrund der Tragweite gerade im Bereich der öffentlichen Sicherheit) aufgrund einer menschlichen Analyse erfolgen.

Hier sind Richtlinien gefordert, die einen akzeptablen Gebrauch von Gesichtserkennungs-Technologien festlegen und sowohl die Rechte von Bürgern schützen als auch Strafverfolgungsbehörden den Schutz der öffentlichen Sicherheit ermöglichen.

Vor- und Nachteile der automatisierten Gesichtserkennung

Die Vor- und Nachteile der Gesichtserkennungs-Technologie sind höchst umstritten. Sicherlich gibt es viele Vorteile in Bezug auf die allgemeine Sicherheit, aber eben auch sehr viele Bedenken in Bezug auf Verletzung der Privatsphäre, Machtmissbrauch und Datenmissbrauch.

Allerdings wird die Technologie nicht einfach wieder verschwinden und wir werden uns damit arrangieren müssen. Aus diesem Grunde finden Sie in den folgenden Absätzen ein paar Worte zu den möglichen Vor- und Nachteilen.

Die potenziellen Vorteile

Verbesserte öffentliche Sicherheit

In Bezug auf die möglichen Vorteile der Gesichtserkennungs-Technologie sind Strafverfolgung, Straftat-Vereitelung und Einreisekontrolle die am häufigsten genannten Bereiche. Und sicherlich auch die am kontroversesten debattierten.

An vielen Flughäfen, auch in Europa, ist heute bereits eine automatisierte Gesichtserkennung aktiv. Damit können Wartezeiten reduziert und die Erkennungsraten verbessert werden. Die US-Zollbehörde möchte bis 2023 97% der internationalen Passagiere mit Gesichtserkennung überprüfen. Auch viele Städte (Vorreiter ist wohl London) nutzen die Technologie zur Überwachung.

Im Bereich des Grenzschutzes ließe sich dadurch die Sicherheit deutlich verbessern und die Einreise für die allermeisten Passagiere erheblich beschleunigen. Außerdem würden solche Systeme, zumindest im grenzüberschreitenden Verkehr, die Suche nach vermissten Personen und/oder Kriminellen erheblich verbessern können.

Im Bereich der Kriminalität erleichtert die Gesichtserkennungs-Technologie das Aufspüren von Einbrechern, Dieben und Eindringlingen. Auch die Kenntnis vom Vorhandenseins eines Gesichtserkennungssystems dient der Abschreckung, insbesondere von Kleinkriminalität.

Schnelle und nicht-invasive Identitätsprüfung

Ein weiterer Vorteil der Gesichtserkennungs-Technologie ist die schnelle Verarbeitung der Daten. Im Gegensatz zu den derzeitigen Methoden zur Überprüfung der Identität müssen sich Benutzer keine Kennwörter mehr merken oder ID-Karten vorlegen.

Mit der Gesichtserkennungs-Technologie könnten Organisationen den Zugang zu Einrichtungen ohne lange Wartezeiten kontrollieren. Eines Tages werden die Systeme vermutlich in der Lage sein, Identitäten zu verifizieren, ohne jemanden für eine Überprüfung anzuhalten.

Ähnliches gilt übrigens auch für die Computer-Sicherheit. Die Gesichtserkennungs-Technologie wird irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft als Ersatz für Kennwörter dienen, das Entsperren von Smartphones per Face-ID ist da nur ein Anfang.

Vorteile im Bankwesen

Trotz vieler Sicherheitsmaßnahmen ist Bankbetrug nach wie vor ein ziemlich großes Problem. Eine mögliche Lösung ist die biometrische Identifizierung über die Gesichtserkennungs-Technologie.

Bei der Gesichtserkennung gibt es keine Passwörter, die von Hackern manipuliert werden könnten. Und durch Fotos oder Masken zum Identitäts-Diebstahl lassen sich Gesichtserkennungs-Systeme schon lange nicht mehr überlisten.

Vorteile für den Einzelhandel

Statistiken zeigen, dass sich in den letzten Jahren zwar der Verkehr in den Fußgängerzonen negativ entwickelt, sich andererseits aber der Umsatz pro Kunde erhöht. Die wahrscheinlichste Erklärung liegt darin, dass Kunden ihre Einkäufe im Internet planen und im Geschäft erledigen. Dafür spricht auch, dass sich die Suche nach Einzelhandels-Geschäften „in meiner Nähe“ innerhalb weniger Jahre nahezu verdoppelt hat.

Im Einzelhandel könnten Systeme zur Gesichtserkennung das Einkaufserlebnis schneller und bequemer gestalten. Zum einen könnten durch neue Technologien wie „Face Pay“ die Warteschlangen an den Kassen stark reduziert werden, andererseits könnte sich alleine durch das Vorhandensein eines Gesichtserkennungs-Systems das Problem des Ladendiebstahls mindern lassen.

In fernerer Zukunft wäre auch das automatisierte „Wiedererkennen“ eines Kunden und die darauf abgestellte Werbung für bestimmte Artikel denkbar.

Bessere Systeme zur Zeit-Kontrolle

Unternehmen leiden weltweit unter Zeitbetrug, der sowohl den Unternehmen selbst als auch der überwiegenden Mehrheit der Arbeitnehmer schadet.

Ein System zur Gesichtserkennung könnte in der Zukunft den Arbeitszeit-Betrug nahezu unmöglich machen, indem die Ein- und Ausgänge zum Arbeitsort von einem solchen System überwacht und die Anwesenheitszeiten automatisch erfasst werden.

Eine bessere Bildverarbeitung

Die Forschung zur Gesichtserkennung könnte es Computern eines Tages ermöglichen, Objekte und Menschen auf ähnliche Weise wie Menschen zu sehen und zu erkennen.

Und diese Entwicklung wird entscheidend sein, um Technologien wie selbstfahrende Autos rentabel zu machen.

Einfache Verwaltung von Bildsammlungen

Fast jeder, der heutzutage ein Smartphone benutzt, hat vermutlich in einigen Jahren tausende von Fotos und Videos angesammelt. Und vermutlich, wie ebenfalls die meisten von uns, längst den Überblick verloren.

Diejenigen von uns, die das mit einem Android-Smartphone tun, übertragen ihre Fotos und Videos vermutlich an Google zur Speicherung. Und Google liefert mit einer kürzlich auch in Europa freigeschalteten Funktion ein schönes Beispiel dafür, was moderne Algorithmen zur Gesichtserkennung zu leisten vermögen.

Denn Google Photos kann mittlerweile ihre auf Google-Servern gespeicherte Foto- und Videosammlung nach bestimmten Personen (und Haustieren) durchsuchen. Schauen Sie sich’s einfach einmal an, Sie finden die Funktion unter https://photos.google.com/people. Sie sehen auf der Seite eine Zusammenstellung der Personen, die auf Ihren Bildern zu sehen sind, ein Klick auf eines der Bilder zeigt Ihnen alle Ihre Fotos und Videos an, auf denen diese Person zu sehen ist.

Die potenziellen Nachteile

Aber natürlich gibt es auch unbestreitbare Nachteile, auf die viele Kritiker hinweisen. Auf diese Nachteile möchte ich in den folgenden Absätzen eingehen.

Nachteile für die Gesellschaft

Heutige Systeme zur Gesichtserkennung ermöglichen das Dursuchen von Millionen von Bildern aus unterschiedlichen Quellen in Sekundenschnelle. Und im Gegensatz zu traditionellen Identifizierungsmethoden wie Fingerabdrücken oder DNA-Tests erfolgt die Identifizierung hier automatisch und unbemerkt. Sobald sich eine Person innerhalb des Sichtfeldes einer Kamera aufhält, ist eine unbemerkte Identifizierung technisch möglich.

Und deswegen ist hier der Gesetzgeber gefordert, um der möglichen massenhaften Datensammlung Grenzen zu setzen und damit einen möglichen Missbrauch dieser Techniken zu verhindern. Diese Gesetze müssen sicherstellen, dass es jedem Einzelnen möglich ist, sich frei und ohne Sorgen vor einer möglichen totalen Überwachung zu bewegen. Und weil die Trennlinie zwischen einer illegalen Datensammlung und der legitimen Verwendung dieser Daten sehr schmal ist, muss die Verwendung dieser Daten einer ständigen und ordnungsgemäßen Kontrolle unterliegen.

In den demokratischen Ländern sollte eine solche Gesetzgebung möglich sein. Sowohl die europäische Datenschutz-Grundverordnung als auch die amerikanische Gesetzgebung (um nur ein paar Beispiele zu nennen) weisen die Richtung für eine solche Gesetzgebung.

Größere Probleme entstehen in Ländern mit totalitären Regimes, in denen den Regierungen kaum Grenzen gesetzt sind, um die Technologie nach eigenem Ermessen einzusetzen. Und die infolgedessen ihre Bürger in einer völlig neuen Dimension ausspionieren könnten. Ein gutes Beispiel dafür ist das in China im Aufbau befindliche Sozialkreditsystem, das unter anderem auch das soziale und politische Verhalten bewerten soll.

In China sind bereits heute mehr als 200 Millionen Überwachungskameras über das Land verteilt, eine Verdoppelung ist in Planung. Und Gesichtserkennungs-Systeme werden genutzt, unlängst wurde per Gesichtserkennung ein Straftäter aus einem mit 50.000 Zuschauern gefüllten Stadion herausgefischt. Und es gab überwiegend Zustimmung für die Technik.

Und selbst in den demokratischen Ländern ist die Angst vor einem möglichen Missbrauch der Daten groß, weil die Folgen eines solchen Missbrauchs kaum absehbar sind. Und nicht nur der mögliche bewusste Missbrauch ängstigt, auch Datenlecks können in diesem Zusammenhang erhebliche Folgen nach sich ziehen.

Individuelle Datenschutzbedenken

Sicherlich ist es sinnvoll, wenn Polizeibehörden mithilfe von Videoüberwachungssystemen und Gesichtserkennung Kriminelle oder vermisste Personen aufspüren können. Aber leider lässt sich diese zumindest in Großstädten bereits heute vorhandene recht lückenlose Videoüberwachung auch dazu nutzen, jede beliebige Person zu jeder beliebigen Zeit nachzuverfolgen.

Die Gesichtserkennung ermöglicht die massenhafte Identifizierung einzelner Personen durch Regierungen. Und das sollte ohne angemessene Grenzen schon genügend Grund zur Sorge sein.

Aber auch private Unternehmen setzen die Gesichtserkennung in immer größerem Maße ein. Einige Beispiele für diesen Einsatz finden Sie etwas weiter unten in diesem Artikel. Und die Datenbanken einiger dieser privaten Unternehmen befinden sich in Ländern mit eher suspekten datenschutzrechtlichen Regelungen.

Jedes Unternehmen, dass Gesichtserkennung verwenden möchte, wird diese Bedenken über kurz oder lang in einer sinnvollen und organisierten Weise ausräumen müssen. Und viele werden dazu vermutlich vom Gesetzgeber gezwungen werden müssen.

Datenschutz-Bedenken

Algorithmen zur Gesichtserkennung errechnen für jedes Gesicht einen Index, der die Anordnung und Proportionen der Gesichtselemente enthält und der zur Identifizierung einer Person verwendet werden kann. Und diese Daten werden auf über das Internet zugänglichen Servern gespeichert, die (wie jedes andere Computersystem auch) grundsätzlich anfällig für Hacker und Datenlecks sind.

Und damit können diese Gesichtserkennungs-Informationen in falsche Hände geraten oder von den Unternehmen für Forschungs- oder Werbezwecke verwendet oder an Dritte verkauft werden.

Bei Interesse können Sie sich übrigens auf der chinesischen Website Face++ einen Identifizierungs-Index errechnen lassen, Sie finden die Seite hier und das Resultat sieht ungefähr so aus.

Automatisierte Verfahren zur Entscheidungsfindung

Aus der Bilderkennung lassen sich auch Daten zur Stimmung der aufgenommenen Person zum Zeitpunkt der Aufnahme ableiten (siehe auch weiter oben unter Kategorien). Diese Daten könnten in Zusammenhang mit anderen Metadaten (beispielsweise Aufnahmezeitpunkt, Aufnahmeort, Anlass oder andere auf dem Bild sichtbare Punkte) dazu genutzt werden, um Rückschlüsse auf das psychologische Profil einer Person zu ziehen.

Diese Profildaten könnten beispielsweise dazu genutzt werden, um Rückschlüsse auf das soziale, religiöse oder gesellschaftliche Umfeld oder die Vertrauenswürdigkeit einer Person zu ziehen. Und, und hier beginnt das eigentliche Problem, dann zur automatisierten Entscheidungsfindung bei Dingen wie Kreditanträgen, Mietanfragen, Bewerbungen oder ähnlichem genutzt werden.

Das ist sicherlich in großen Teilen heute noch Zukunftsmusik. Aber Vorfälle wie der Skandal um Cambridge Analytica und Wissenschaftsgebiete wie die Psychometrie zeigen bereits heute auf, wo die Reise hingehen könnte. Auch das in China im Aufbau befindliche Sozialkredit-System zeigt klar auf, welche Macht diese Art von Algorithmen letztendlich haben könnten.

Hier ist die Politik gefordert, um klare Richtlinien für den Datenschutz zu gestalten und die Durchsetzung dieser Richtlinien sicherzustellen.

Vorurteile inclusive

Ein vielfach unterschätztes Problem ergibt sich bei der Entwicklung der KI-Systeme zur Gesichtserkennung. Denn diese Systeme müssen trainiert werden. Das Trainieren eines KI-Systems erfolgt durch sehr große Bild-Datenbanken wie beispielsweise die Imagenet-Datenbank.

Für die Erkennung dieser jeweiligen Stimmung der aufgenommenen Person muss das Gesicht kategorisiert werden. Und diese Kategorisierung muss einer künstlichen Intelligenz antrainiert werden, sie muss auf Grundlage dieses Trainings entscheiden können, ob eine bestimmte Person gerade beispielsweise traurig, glücklich oder deprimiert ist. Und diese Entscheidung fällt, das wissen wir alle aus eigener Erfahrung, schon einem Menschen nicht unbedingt leicht.

Und hier kommt ein Problem dieser Trainings-Datenbanken ins Spiel. Denn die diese Datenbanken enthalten Millionen von Bildern, die von schlecht geschulten und miserabel bezahlten Klick-Arbeitern per Hand kategorisiert worden sind. Und so ihre eigenen Vorurteile in ein System einbringen, das später als objektiv vermarktet wird.

Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass die Kategorisierung der Bilder im Allgemeinen auf den sieben Basis-Emotionen (Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung) nach dem Facial Action Coding System (FACS) beruht. Nun reichen aber diese Basis-Emotionen nicht im mindesten aus, um Gefühle mit hinreichender Sicherheit beschreiben zu können. Psychologen gehen heute von mindestens 21 verschiedenen Gesichtsausdrücken zur Beschreibung von Emotionen aus. Von den verschiedenen Ausdrücken von Emotionen in den verschiedenen Kulturen gar nicht erst zu reden.

Neben der Kategorisierung von Gesichtern durch schlecht geschultes Personal bauen die verwendeten Trainings-Datenbanken also auch noch auf einem ziemlich vereinfachten System auf. Die Ergebnisse eines solchen Systems werden also in vielen Fällen weit von der Wahrheit entfernt sein.

Was allerdings voraussichtlich viele Menschen nicht davon abhalten wird, sich auf die absolute Richtigkeit der Aussagen eines solchen KI-Systems zu verlassen.

Geringe Zuverlässigkeit

Bei aller Erkennungs-Qualität der heutigen Systeme zur Gesichtserkennung können doch viele verschiedene Faktoren (schlechte Beleuchtung, schlechte Bild- oder Videoqualität, falscher Kamerawinkel, kosmetische Operationen usw.) zu falsch positiven Ergebnissen führen.

Und diese Einschränkungen bei der Suche müssen berücksichtigt werden. Was wiederum dazu führt, dass Unternehmen und Behörden dazu gezwungen werden müssen, den Umfang ihrer Gesichtserkennungs-Projekte einzuschränken und eine menschliche Kontrolle der Ergebnisse sicherzustellen.

Fehlende Regulierung

Bisher gibt es keinen einheitlichen gesetzlichen Rahmen für den Einsatz von Gesichtserkennungs-Algorithmen. Und aufgrund der unterschiedlichen Einstellungen der Regierungen verschiedener Ländern wird das voraussichtlich auch nie der Fall sein.

Manche Länder (gerade die eher totalitär regierten) sehen die Gesichtserkennung als willkommenes Mittel zur Kontrolle der Bevölkerung, andere (wie die der Europäischen Union) sind mitten in der Schaffung von Gesetzen zur Sicherstellung eines gewissen Datenschutzes. Und wieder andere Regionen (wie beispielsweise die Städte San Francisco und Oakland in Kalifornien) haben die Nutzung der Technologie schon wieder komplett verboten.

Aber die Tendenz geht weltweit momentan eher dahin, dass die Gesichtserkennung in der Masse angewendet wird. Hier liegt es an den Regierungen und Aufsichtsbehörden, eine schnelle Regulierung sicherzustellen, weil diese Technologie sehr weitreichende (und sehr negative) potenzielle Auswirkungen haben kann. Und genau hier wird die zukünftige Herausforderung liegen.

Kein Opt-Out möglich

Systembedingt ist bei der automatisierten Bilderkennung kein Opt-Out-Verfahren möglich. Niemand kann daher, wie beispielsweise bei Fotos möglich, grundsätzlich die Erfassung seiner Person verweigern.

Denn systembedingt werden zunächst immer alle Gesichter gefilmt. Eine Software könnte den Wunsch einer bestimmten Person nach Anonymität also immer erst nach einer bereits erfolgten Analyse erkennen.

Was danach mit diesen Aufnahmen geschieht, hängt von der Programmierung des jeweiligen Erfassungsgerätes ab.

Gesichtserkennung im Einsatz

Die Investitionen in die Gesichtserkennungs-Technologie sind weltweit massiv und die Technologie wird sich durchsetzen. Aber die Unternehmen lassen sich naturgemäß nur äußerst ungern in die Karten schauen. Trotzdem lassen sich einige Technologie bereits heute finden. Hier finden Sie einen kurzen Überblick.

Facebook

Das Unternehmen Facebook ist einer der bekanntesten Anwender von Technologien zur Gesichtserkennung. Das soziale Netzwerk nutzt die Technologie seit 2010 zur Identifikation seiner Nutzer auf Fotos und in Videos, ohne dass sie jemand markiert.

Nach massiven Protesten von Datenschützern wurde das Projekt 2012 in der EU wieder gestoppt, wurde allerdings mit Einführung der Datenschutz-Grundverordnung im Mai 2018 wiedereingeführt. Allerdings mit der Möglichkeit für den jeweiligen Nutzer, die Bilderkennung für sich auszuschalten.

Facebook betont hierbei einen Schutz der Nutzer. Bei einer Zustimmung zur Erkennung erfolgt eine automatische Benachrichtigung des Nutzers, sobald jemand ein Foto oder Video auf Facebook veröffentlicht, das den jeweiligen Nutzer zeigt. Was sicherlich in manchen Fällen einen Vorteil darstellen kann, den jeweiligen Nutzer aber natürlich auch auf jedem bei Facebook gespeicherten Bild ganz automatisch erkennbar macht.

Die erkannten Daten (oder zumindest der für öffentlich sichtbare Teil dieser Daten) werden von Facebook im sogenannten Alternativ-Text der Fotos und Videos abgelegt. Zum Beispiel enthält das folgende Foto von mir aus dem Profil eines meiner Freunde den Alternativ-Text „Bild könnte enthalten: Claus Nehring, lächelnd, sitzt und im Freien“.

Wie Sie sehen können, ist in der Beschreibung des Fotos auch bereits eine Kategorisierung enthalten. Natürlich ist das Foto durch die Klartextangabe des Inhalts auch für Suchmaschinen sehr einfach auffindbar. Und damit wissen Sie jetzt auch, weshalb Google & Co. so viele Fotos von Ihnen finden.

Google

Der sichtbarste Teil von Googles Algorithmen zur Gesichtserkennung findet sich in Google Photos. Mit dieser App haben Sie Zugriff auf die in Ihrem Google-Konto gespeicherten Fotos und die meisten Android-Nutzer unter Ihnen werden sie vermutlich kennen. Seit dem letzten Jahr sind die schon lange existierenden Funktionen zur Suche nach bestimmten Personen (und Haustieren) auch in Europa freigeschaltet.

Mit diesen Funktionen können Sie Ihre gespeicherten Fotos und Videos nach bestimmten Personen durchsuchen. Schauen Sie sich’s einfach einmal an, Sie finden die Funktion unter https://photos.google.com/people. Sie sehen auf der Seite eine Zusammenstellung der Personen, die auf Ihren Bildern zu sehen sind, ein Klick auf eines der Bilder zeigt Ihnen alle Fotos und Videos an, auf denen diese Person zu sehen ist.

Die Technik zur Gesichtserkennung findet sich auch in den Google-Smartphones und seit Mitte letzten Jahres auch in ersten smarten Lautsprechern des Konzerns.

Aber gleichzeitig warnt Google auch vor den unerwünschten Folgen der Gesichtserkennung und verzichtet zunächst darauf verzichten, die eigene Software zur Gesichtserkennung für die Öffentlichkeit freizugeben. Die Technologie müsse laut Google zunächst vorsichtig geprüft werden, damit „ihr Einsatz mit unseren Prinzipien und Werten übereinstimmt und Missbrauch sowie schädliche Folgen vermieden werden“, schreibt Kent Walker, Leiter der Rechtsabteilung von Google. Man wolle zunächst „wichtige technische und politische Fragen klären“.

Microsoft

Microsoft warnt zwar vor den Gefahren von Techniken wie der Gesichtserkennung, stellt aber über die Azure-Schnittstelle alle nötigen Funktionen zur Gesichtserkennung kostengünstig zur Verfügung.

Neben der reinen Gesichtserkennung werden den Gesichtern auch Attribute zugeordnet. Das System schätzt unter anderem das Alter einer Person, die Emotionen (Glück, Traurigkeit, Neutralität, Wut, Verachtung, Ekel, Überraschung und Angst), Gesichtsbehaarung und Geschlecht ein. Eine vollständige Erklärung finden Sie bei Interesse hier in der Dokumentation von Microsoft.

Außerdem gibt’s bei Microsoft noch Module zur Erkennung von Prominenten und Objekten (z.B. Sehenswürdigkeiten) und Funktionen zur Texterkennung in Bildern.

Amazon

Im Prinzip bietet der Gesichtserkennungs-Dienst von Amazon, Amazon Rekognition, ähnliche Funktionen wie der oben beschriebene Service von Microsoft.

Die Gesichtserkennung und die Gesichtssuche sind ebenso wie die Kategorisierung der Gesichter auch hier vorhanden. Dazu kommen noch einige Zusatzfunktionen, die Sie bei Interesse hier in einer Übersicht von Amazon Rekognition finden.

Amazon bietet mit Amazon Rekognition Video auch einen Dienst an, der Videodateien (auch Live-Videos in Echtzeit) analysieren kann. Hier sind Funktionen wie Gesichtserkennung, Personen-Identifizierung, Bewegungsprofile, Emotionsprofile und ähnliches möglich. Eine Übersicht über die Funktionen finden Sie auf dieser Webseite von Amazon.

Das RING-System

Aber Amazon entwickelt in diesem Bereich mit seiner Tochterfirma RING offenbar noch eine andere Idee weiter. RING ist ein amerikanischer Anbieter von Sicherheits-Systemen für Privathaushalte, der eine bewegungserkennenden Türklingel-Kameras, Überwachungskameras und Alarmsystem verkauft. Zu diesen Systemen gibt es ein Abonnement („Ring Protect“), mit dem die in den Privathaushalten aufgenommenen Videos auf Servern von RING gespeichert werden. Bei Abschluss des Vertrages erklären sich RING-Benutzer damit einverstanden, dass das Unternehmen aufgezeichnete Videos an „Strafverfolgungsbehörden, Polizeibeamte und / oder Dritte“ weitergibt, wenn das Unternehmen dies für erforderlich hält.

Auf das auf den RING-Servern gespeicherte Videomaterial haben über ein spezielles Portal auch Polizeibehörden Zugriff, die über dieses Portal das von den Kamerabesitzern einen gespeicherte Videomaterial abrufen können. Die Firma RING ist auf diese Art und Weise dabei, eine Überwachungs-Infrastruktur aufzubauen, die sich die Menschen selbst in ihren Häusern und auf ihren Grundstücken installieren. Und die damit den Polizeibehörden einen direkten Zugriff auf Videos aus dem direkten Umfeld ihres Wohnbereichs ermöglichen. Mithilfe einer App namens „Neighbor“ (momentan nur in den USA verfügbar) können die Nutzer darüber hinaus auch „Verdächtiges“ in der Nachbarschaft melden.

Bisher wurden bereits einige Millionen dieser Kameras in den USA installiert. Für andere Länder liegen keine genauen Zahlen vor, aber das RING-System wird von Amazon international (auch in Europa) vertrieben. Aus den Nutzungsbedingungen von RING geht unter anderem hervor, dass alle Videos, die mit dem RING Gerät aufgezeichnet wurden, im Benutzerkonto auf Servern der Amazon Cloud gespeichert werden. Zur Löschung wird lediglich angegeben, dass von Ihnen gelöschte Videos nicht mehr für Sie verfügbar sind, über eine eventuelle tatsächliche Löschung von den Servern lassen sich keine Informationen finden. Darüber hinaus darf RING laut diesen Nutzungsbedingungen „Ihre geteilten Inhalte und damit verbundenen Standortdaten mit jeder Strafverfolgungsbehörde teilen darf, die Zugang zu diesen geteilten Inhalten und damit verbundenen Standortdaten verlangt“.

Solche Systeme mögen zur persönlichen Sicherheit beitragen und werden auch mit diesem Argument verkauft. Aber Sie lassen eben auch Polizeibehörden ohne vorhergehenden Gerichtsbeschluss auf Videos aus dem Umfeld der Privathäuser zugreifen, und zwar nicht nur von den Hauseingängen, sondern auch von den mit dem RING-System verbundenen Kameras entlang von Einfahrten, Gärten und Dächern.

Für die Zukunft verspricht RING Gesichtserkennung und eine automatische Erkennung möglicherweise verdächtiger Handlungen vor der Haustüre. Dementsprechend hat die Firma RING hat ein Patent zur Gesichtserkennung angemeldet, dass dann Alarm geben könnte, wenn eine als „verdächtig“ eingestufte Person vor der Kamera erfasst wird. Was recht gut mit den oben genannten Fähigkeiten der Amazon Rekognition Video übereinstimmt.

Das Resultat könnte ein Kamera-System mit zentraler Speicherung von Videos sein, dass den Behörden Zugriff auf Videos aus Millionen von bisher nicht von Überwachungs-Kameras erfassten privaten Bereichen erlaubt. Und dass, kombiniert mit einer leistungsstarken automatischen Auswertung wie der von Amazon, eine bisher nicht gekannte Qualität der Profilerstellung zulassen würde.

Ein solches System in den Händen eines privaten Unternehmens, dass die Geräte verkauft und die Server betreibt wäre ein Überwachungsnetzwerk, das Datenschützern ernsthafte Sorgen bereiten sollte.

Megvii Technology

Das vom Internetriesen Alibaba-Group unterstützte chinesische Unternehmen Megvii Technology betreibt mit dem Open-Source-Projekt Face++ eine der leistungstärksten Gesichtserkennungs-Plattformen überhaut. Mehr als 300.000 Entwickler sind mit der Erstellung eigener Gesichtserkennungs-Systeme auf Basis dieser Plattform beschäftigt.

Die Plattform unterstützt neben der Gesichtserkennung auch die Suche nach Gesichtern und Emotionsprofile. Zwei Beispiele für die Emotionsprofile finden Sie unten, die Profile wurden mit meinen eigenen Fotos auf der Website faceplusplus.com erstellt.

Weiterführende Informationen und andere Beispiele zu Face++ finden Sie hier auf der Website des Unternehmens.

SenseTime

Das chinesische Unternehmen SenseTime ist das momentan vermutlich wertvollste Start-Up der Welt. Das Haupt-Produkt des Unternehmens, SmartCity, ist ein Bilderkennungs-Algorithmus auf Basis künstlicher Intelligenz. Das Unternehmen wurde 2014 von einigen Wissenschaftlern an der Universität von Hongkong gegründet und war drei Jahre später bereits mehr als 1 Milliarde Dollar wert. Zu den Investoren gehören neben der chinesischen Alibaba-Group auch der amerikanische Chipproduzent Qualcomm.

Der Gesichtserkennungs-Algorithmus des Unternehmens gilt als einer der fortschrittlichsten der Welt. Er wird beispielsweise zur Identifizierung bei Zahlungen und zur Einlasskontrolle benutzt und von mehr als 100 Millionen Menschen genutzt.

Deutlich umstrittener als die klassische App ist der Einstieg von SenseTime in das staatliche Überwachungsgeschäft. SenseTime ist federführend an der Einrichtung von Supercomputern in chinesischen Städten beteiligt, die mithilfe der SmartCity-Plattform die anfallenden Livebilder analysieren und auf verdächtige Personen durchsuchen.

Neben der Bildanalyse beschäftigt sich SenseTime mit verwandten Themenbereichen wie autonomes Fahren und Augmented Reality. Weitere Informationen über die angebotenen Produkte finden Sie hier auf der Website des Unternehmens.

Kairos

Kairos ist eine Online-Plattform zur Gesichtserkennung, die Zugriff auf eine Vielzahl von Analyse-Algorithmen bietet. Kairos bietet die Erkennung und Identifizierung von Gesichtern ebenso an wie die Suche nach bestimmten Personen in Bildsammlungen.

Daneben können Gesichter nach einigen Merkmalen wie Alter und Geschlecht klassifiziert werden.

Betaface

Betaface ist ein deutscher Anbieter von Gesichtserkennungssoftware. Betaface ist sowohl als Webdienst (API) als auch als Software Development Kit (SDK) und Apps verfügbar. Ausserdem verfügt Betaface über einen Webdienst, über den sich Bilder hochladen und Metadaten abrufen lassen. Eine Demo finden Sie hier auf der Website des Unternehmens.

Auch Betaface bietet die Erkennung und Identifizierung von Gesichtern ebenso wie die Suche nach bestimmten Personen in Bildsammlungen an, klassifiziert Gesichter und erkennt Emotionen.

BioID

BioID ist ein deutsches Unternehmen, das auf die Authentifizierung durch Gesichtserkennung spezialisiert ist. Die Plattform stellt Funktionen zur Verfügung, mit deren Hilfe Gesichter anstelle von Kennwörtern verwendet werden können, um den Zugriff auf Systeme und Ressourcen zu ermöglichen.

Der BioID Web Service ermöglicht eine Vielzahl von biometrischen Authentifizierungen, beispielsweise über Gesicht, Auge und Stimme.

Andere Anbieter

Da es sich bei der Gesichtserkennung um einen Zukunftsmarkt handelt, der gerade erst im Aufbau ist, tummeln sich auf dem Markt eine Unzahl von Start-Ups und kleineren Unternehmen, die hier nicht gesondert erwähnt werden können.

Die oben genannten Anbieter sind aber die wichtigsten Akteure auf dem Markt und sicherlich auch die, die am ehesten die Möglichketen und Gefahren der Technik aufzeigen können.

Gesichtserkennung täuschen

Grundsätzlich lassen sich Algorithmen zur Gesichtserkennung auch täuschen. Dazu gibt es momentan zwei verschiedene Ansätze.

Passfoto-Morphing

Der erste dieser Ansätze arbeitet mit dem sogenannten „Morphing“, bei dem zwei Gesichtsbilder zu einem verschmolzen werden. Wenn es gelingt, ein solches Foto in einem Ausweisdokument unterzubringen, könnten theoretisch durch automatisierte Gesichtserkennungs-Verfahren zwei verschiedene Personen auf einem Foto als „echt“ erkannt werden. Und damit könnte ein Ausweisdokument trotz Gesichtserkennung von zwei verschiedenen Personen genutzt werden kann.

Ob dieses Verfahren in der Praxis tatsächlich funktionieren würde ist unklar. Es wäre allerdings durchaus möglich, dass ein Gesichtserkennungs-Algorithmus eine genügend große Übereinstimmung erkennt, um beide Personen zu akzeptieren. Mehr Informationen über diese Idee finden Sie auf der Website mask.id des Peng! Kollektivs. Hier können Sie bei Interesse auch Ihr eigenes Passfoto verarbeiten lassen, von einem eigenen Test bei der Ausstellung eines Ausweises würde ich allerdings abraten.

Dafür, dass dieser Ansatz tatsächlich funktionieren könnte, sprechen zwei Gründe. Zum einen wird laut einem Bericht von heise online durch das Bundes-Innenministerium gerade ein Gesetzentwurf vorbereitet, der aufgrund der Gefahr durch die Nutzung gemorphter Passfotos die Erstellung von Passfotos künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht gestattet.

Zum zweiten scheint auch das Fraunhofer-Institut die Möglichkeit durchaus ernst zu nehmen. Unter dem Projektnamen ANANAS (Anomalie-Erkennung zur Verhinderung von Angriffen auf gesichtsbildbasierte Authentifikationssysteme) werden dort gerade Möglichkeiten entwickelt, wie sich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz solche gemorphten Fotos erkennen lassen. Die entsprechende Pressemitteilung des Fraunhofer-Institus finden Sie hier.

Computergenerierte Passfotos

Einen anderen Ansatz verfolgt die israelische Firma D-ID. Hier wird von einem KI-System ein computergeneriertes Foto erzeugt, dass für das menschliche Auge genauso aussieht, wie das ursprüngliche Passfoto, aber für einen Algorithmus zur Gesichtserkennung trotzdem völlig andere Merkmale aufweist.

Wie genau das funktioniert, sagt das Unternehmen natürlich nicht. Und D-ID bietet den Service auch nur für große Organisationen an, die Fotos von Menschen speichern und gleichzeitig einen hohen Datenschutz gewährleisten wollen. Für Privatpersonen ist der Service nicht verfügbar.

Auch für dieses Verfahren ist nicht bekannt, ob es in der Praxis auch tatsächlich zuverlässig funktioniert. Über die Information auf der Website des Unternehmens und einige Presseberichten hinaus sind kaum Informationen auffindbar.

Aber in jedem Fall bauen diese Lösungen darauf auf, dass ein verändertes Foto einer Person verwendet wird. Und helfen damit auf keinen Fall gegen die Aufnahmen einer Überwachungskamera.

Fazit

Die Gesichtserkennungs-Technologie sorgt zurzeit für viele und sehr kontroverse Diskussionen. Und sie ist ein Markt, in den massiv investiert wird. Bei einer durchdachten Anwendung kann sie zweifellos viele Vorteile bringen, birgt jedoch bei unkontrollierter Anwendung auch viele und sehr ernst zu nehmende Gefahren.

Die Technologie betrifft jeden Einzelnen und kann erhebliche Auswirkungen auf die Privatsphäre haben. Und die technologischen Voraussetzungen zum flächendeckenden Einsatz sind heute schon gegeben und werden ständig weiter ausgebaut.

Deswegen ist es sehr wichtig, dass sich die zuständigen Behörden sehr ernsthaft und sehr schnell mit der Regulierung befassen und dafür sorgen, dass private Unternehmen in diesem Sektor nicht beliebig agieren und großflächige Überwachungssysteme aufbauen können. Dazu gehört mindestens, dass jederzeit transparent ist, welche Daten an welchem Ort und unter welchen Voraussetzungen gespeichert werden und wer unter Umständen auf diese Datenbestände zugreifen könnte.

Skandale wie der um Cambridge Analytica haben bereits gezeigt, dass die schon heute vorhandenen Datensammlungen der großen Internet-Konzerne wohl auch für großflächige Meinungs-Manipulationen ausreichen. Deswegen sollten wir sehr darauf achten, dass zu diesen Datensammlungen nicht auch noch ausgedehnte Bewegungsprofile hinzukommen können.

Und deswegen müssen gerade großflächige und auf die ansatzlose Überwachung ausgelegte Systeme wie die von RING (siehe oben) einer funktionierenden Kontrolle unterworfen werden. Ohne eine solche funktionierende und von den Menschen akzeptierte Kontrolle könnte die automatisierte Gesichtskontrolle durchaus einige Orwellsche Albträume wahr werden lassen,

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Artikel einen Überblick darüber verschaffen konnte, was heutige Technologen zur Gesichtserkennung vermögen und wie sie sich auf uns auswirken können.

Claus Nehring

Ich bin freiberuflicher Autor, Journalist und Texter (aka "Schreiberling") aus Luxemburg. Als Informatiker und Statistiker habe ich jahrelange Erfahrung in der Visualisierung und Modellierung großer Datenmengen. Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit Infektionskrankheiten und publiziere Artikel zu diesem Thema, aus verschiedenen anderen Wissenschafts-Bereichen und aus dem Bereich Internet & Gesellschaft,

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